Alliierte Wohnungen besetzt und geräumt

■ Obdachlose Frauen fordern Mietverträge/ „Keine Chance auf dem Wohnungsmarkt“/ Polizei beendet Aktion umgehend

Zehlendorf. 25 obdachlose Frauen mit 20 Kindern haben gestern vormittag einen leerstehenden Wohnkomplex der Alliierten in der Zehlendorfer Jaenickestraße besetzt. Initiiert hatten die Aktion Frauen aus Frauenhäusern, Frauenzufluchtswohnungen, Obdachloseneinrichtungen und Flüchtlingsheimen. Sie fordern sofortige Mietverträge für die zwölf Vier- und Fünfzimmerwohnungen. Um 15.45 Uhr wurde die Besetzung nach Angaben der Polizei beendet. Ein Räumungsbegehren habe nicht vorgelegen. Die Besetzerinnen hätten allerdings der Aufforderung, das Gebäude zu verlassen, Folge gleistet, wobei die Personalien festgestellt wurden. Von seiten der US-Alliierten hieß es zuvor, daß man die Räumung des Gebäudes beantragen werde. „Es handelt sich hier um eine illegale Aktion“, so Pressesprecher Raphaell Anderson zur taz.

Am Montag soll das seit 14 Monaten leerstehende Gebäude von den US-Streitkräften an die Oberfinanzdirektion des Bundes übergeben werden. „Es ist zu erwarten, daß die Wohnungen auch im Besitz des Bundes weiter leerstehen“, kritisierte die wohnungspolitische Sprecherin der Berliner Grünen, Elisabeth Ziemer. Alle Versuche, die Wiedervermietung der offiziell 600 leerstehenden Wohnungen der Alliierten durchzusetzen, seien bisher gescheitert. Von seiten des Senats hieß es lediglich, daß die Wohnungen für Bundesbedienstete vorgesehen seien und zunächst renoviert werden müßten. 2.300 Beamte stehen laut Bausenator Nagel auf der Warteliste der Oberfinanzdirektion.

Kein Verständnis für die „Wohnungsnot“ der Bonner Beamten äußerten dagegen die wohnungslosen Besetzerinnen auf einer Pressekonferenz. Marion S. ist vor sechs Jahren vor ihrem Mann in eine Zufluchtswohnung geflohen. Ihr Bemühen um einen regulären Mietvertrag hatte wenig Erfolg. „Anfangs hieß es, ich sei zu jung, jetzt werde ich abgelehnt, weil ich kein festes Einkommen habe.“ Die später beendete Besetzung sah sie als einzige Möglichkeit, endlich ein festes Dach über dem Kopf zu bekommen. Ähnlich sah es Ursula D. „Als alleinerziehende Mutter mit drei Kindern hat man keine Chance“, sagte sie: „Die Vermieter akzeptieren Haustiere noch eher als Kinder.“

„Obdachlose Frauen haben auf dem Wohnungsmarkt so gut wie keine Chance“, begründete Angelika May von der Initiative „Frauenzimmer“, die Besetzung. Die Unterbringung in Übergangswohnungen sei nur eine Notlösung. „Wenn es danach keinen festen Wohnraum gibt, hat das keinen Sinn.“ Zusammen mit den anderen Initiativen fordert sie zugleich, daß nicht die mißhandelnden Männer in der ehemals gemeinsamen Wohnung bleiben, sondern die betroffenen Frauen, eine Forderung, der sich gestern auch Frauensenatorin Christine Bergmann (SPD) anschloß. Die Staatssekretärin der Frauensenatorin, Helga Korthaase, hatte noch am Vormittag den Besetzerinnen ihre Unterstützung zugesichert. Zwar müsse Berlin auch für die Unterbringung der Bundesbediensteten sorgen, doch angesichts des wachsenden Leerstands alliierter Wohnungen halte sie die Forderung nach zwölf Mietverträgen für legitim. Uwe Rada