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„Option für die Frauenliebe öffnen“

■ Niedersachsens Frauenministerin Schoppe stellt ihre lesbenpolitischen Ziele vor/ Basis mißtrauisch

Hannover (taz) – Etwas säuerlich blickte die Gastgeberin Waltraud Schoppe drein, als die Sozialwissenschaftlerin Lising Pagenstecher ihr auf den Zahn fühlte: ob es in Niedersachsen schon Volkshochschulkurse mit lesbischen Themen gebe wie seit drei Jahren in München oder wie es um die Lesbenforschung an den Unis bestellt sei? Die Befürchtung einiger Teilnehmerinnen, der vom niedersächsischen Frauenministerium veranstaltete Kongreß „Lesbenleben – Lesbenpolitik“ könne zur „Alibiveranstaltung“ werden, zerstreute sich schnell. Die grüne Frauenministerin räumte ein, „daß in der Lesbenpolitik noch vieles unbeackert sei“.

Aber die ersten Ansätze können sich durchaus sehen lassen. Schoppe setzte durch, daß der „Interministerielle Arbeitskreis zur umfassenden Gleichstellung von Lesben und Schwulen“ sich nicht wie geplant ausschließlich mit männlicher Homosexualität befaßt. Sie macht sich dafür stark, daß in die neue niedersächsische Verfassung eine Antidiskriminierungsklausel für Lesben und Schwule aufgenommen wird. Im Grundgesetz sollten in Artikel 6 neben Ehe und Familie auch „andere auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften“ geachtet werden. Und es ist keineswegs selbstverständlich, daß eine Ministerin erklärt, „eine offensive Frauenpolitik [müsse] die Option der Frauen für die Liebe zu Frauen öffnen“. Gegenwärtig bereitet Schoppe eine Kabinettsvorlage vor, die die lesbenpolitischen Schwerpunkte formuliert: Homosexualität soll im Schulunterricht künftig „im Geiste der Toleranz“ behandelt und als Asylgrund anerkannt werden. An den Unis des Landes soll Forschung über die lesbische Lebensweise ermöglicht und gefördert werden. Nicht zuletzt sollen im öffentlichen Dienst Lesben und Schwule vor Diskriminierung geschützt werden.

Die 170 Teilnehmerinnen schwankten sichtlich zwischen Mißtrauen gegenüber einer „Lesbenpolitik von oben“ und verhaltener Freude über die hochoffizielle Anerkennung ihrer Lebensweise. Ganz ungetrübt ist das Verhältnis der autonomen Lesben zum Ministerium nicht. Die Forderung nach einer Lesbenreferentin im Frauenministerium sei in den Koalitionsverhandlungen fallengelassen worden, warf Lore Deppe vom Lesbenring Niedersachsen/ Bremen Schoppe vor. Im Sozialministerium sei dagegen ein Schwulenreferent eingestellt worden.

Unzufrieden sind die Lesben auch mit der Vergabe der Mittel aus dem Frauentopf. Zwar wurde unter Schoppe erstmals die Förderung von Lesbenprojekten in die Richtlinien aufgenommen. Doch für viele Projektfrauen steht der bürokratische Aufwand bei der Beantragung der Gelder in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Außerdem dauere es einfach zu lange, bis die Gelder bei den Projekten ankämen, was auch Staatssekretärin Christa Karras zugeben mußte.

Vor allem auf dem flachen Land begegnen Lesben immer noch Vorurteilen. Dies ergab nicht nur eine vom Frauenministerium geförderte Untersuchung. Eine Mutter aus dem Publikum berichtete, ihre beiden Töchter würden in der Schule beschimpft, weil sie offen als Lesbe lebe. Als sie die Lehrerin aufgefordert habe, dies in der Klasse anzusprechen, sei sie auf völliges Unverständnis gestoßen.

Einfacher haben es da die „Luppies“, die Lesbian Urban Professionals. „Die neunziger Jahre werden das Jahrzehnt der Lesben sein“, zitierte die Sozialwissenschaftlerin Sabine Hark in ihrem Referat eine junge, selbstbewußte Stadtlesbe. Hark stellte fest, die Phase der Identitätsfindung sei für die meisten Lesben abgeschlossen. Lesbischsein werde nun zum Ausgangspunkt für die Einmischung in die allgemeine Politik. Ein Anspruch, den die Teilnehmerinnen des Kongresses (noch) nicht einlösten. Anstatt wie geplant über Strategien und Perspektiven von Lesbenpolitik zu diskutieren, blieb es über weite Strecken beim kleinlichen Hickhack um Finanzen. Dorothee Winden

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