■ Das Portrait: Christian Wulff
Mit dem niedersächsischen „Aufbruch 94 mit Christian Wulff“ werben seine Freunde von der Jungen Union, und sie vergleichen den 33jährigen mit Bill Clinton. Doch eine besondere Ausstrahlung würde man dem am Wochenende mit überwältigender Mehrheit von der niedersächischen CDU zum Spitzenkadidaten für die Lantagswahl 1994 gewählten Osnabrücker zu Unrecht andichten. Für ihn sei eine „Mischung aus Bescheidenheit, Zurückhaltung und Entschlossenheit“ chrakteristisch, sagt Christian Wulff genügsam. Den Spitzenplatz auf der CDU-Landesliste verdankt der neue „Hoffnungsträger“ vor allem dem Mangel an profiliertem politischen Personal, den Ernst Albrecht in der Niedersachsen-CDU hinterlassen hat. Landespolitische Erfahrungen kann der Kontrahent des SPD-Ministerpräsidenten Schröder nicht geltend machen. Dafür war er schon mit 18 Jahren als Bundessprecher der Schüler- Union Mitglied im Bundesvorstand seiner Partei, zwischen 1979 und 1983 gehörte er dann dem Bundesvorstand der Jungen Union an, ab 1984 dem niedersächsischen Landesvorstand seiner Partei. Wie Gerhard Schröder ist er von Beruf Rechtsanwalt, praktiziert als Sozius in einer großen Anwaltskanzlei in Osnabrück, wo er auch seit 1989 der CDU-Fraktion im Stadtrat vorsteht. Weil es nicht mehr populär ist, schon in jungen Jahren die Politik zum alleinigen Broterwerb zu machen, will er den Anwaltsberuf nicht aufgeben.
Als „politischer Überzeugungstäter mit Ecken und Kanten“ hat Wulff sich am Samstag dem CDU-Landesparteitag vorgestellt. In seiner hier Foto Nr. 13
Foto: Lichtenberg
brav vorgetragenen Kandidatenrede löste er diesen Anspruch nicht ein, bot keine Denkanstöße. Er will die Kriminalitätsbekämpfung zu einem Hauptthema machen, den Datenschutz der Verbrechensbekämpfung unterordnen, will die Rasterfahndung, den großen Lauschangriff, und verdeckte Polizeiermittler, deutscher und ausländischer Herkunft. Er beschwört nach kohlschem Vorbild die „Bereitschaft zum Verzicht für einige Jahre“, will die Bürokratie „entbürokratisieren“. In seiner Rolle als Spitzenkandidat muß sich der 33jährige erst noch zurechtfinden. Aber er hat ja auch Zeit: Auch wenn er hofft, daß „ich es im ersten Anlauf schaffe“, ist die Landtagswahl 1994 seine Trainingsrunde. Erst 1998 soll dann die wirkliche Prüfung werden. Jürgen Voges
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