Fliegenfänger Musikprogramm

■ Computergestützte Musikauswahl beschallt die Hansawelle von Radio Bremen

Foto: Tristan Vankann

Wir ahnten es bereits: Technologie an sich ist nichts Böses, auf die Anwendung kommt es an. Auch Computer sind nichts Schlech

tes, zumindest nicht grundsätzlich, noch nicht einmal, wenn man mit ihnen die Musik für Radiosendungen zusammenstellt.

Dabei hätte man das glauben können, denn die Koinzidenz der Verbreitung von Computer- Programmen zur reglementier

ten und Radioprogrammen zur einfallslosen Musikauswahl zunächst bei den privaten Funkern und etwas später auch bei den öffentlich-rechtlichen war durchaus verblüffend.

Im Grunde hängt beides zusammen, aber schuld an der Qualität ist nicht die arme Rechenmaschine. Eine moderne Software zur Erstellung von Musikprogrammen, wie sie seit September letzten Jahres für das Tagesprogramm der Hansawelle von Radio Bremen verwendet wird, bietet den verantwortlichen RedakteurInnen an jeder Stelle die Möglichkeit einzugreifen und die vom Computer vorgeschlagenen Stücke zu verwerfen. Wenn man denn will.

Holger Arnold, Haupt-Abteilungsleiter L-Musik bei der Hansa-Welle, und mit fünf weiteren RedakteurInnen für die Musik- Auswahl der Welle verantwortlich, ist völlig begeistert. Computergestützt ließe sich präziser arbeiten, der Klang der Welle sei durchgängiger, einheitlicher geworden, im Sinne ihrer Zielgruppendefinition besser, effektiver, angemessener.

Gemeinsam mit seinen fünf RedakteurInnen hat er die Kriterien entworfen, nach denen der Computer die 4474 Titel unterscheidet und auswählt, die er im Repertoire hat. Schnell, langsam, mittel lautet eine Unterscheidungsleiste, eine andere unterscheidet zwischen weiblichen und männlichen Interpreten oder Gruppen oder nach dem dominanten Instrument bei Instrumental-Titeln. Auch die Stundenschemata, die Folgen Opener — US-Pop — UK-Pop — D-Pop und wieder von vorne und mit leichten Veränderungen immer weiter, nach denen ihnen der Computer seine Vorschläge unterbreitet, haben Arnold und seine KollegInnen selbst erstellt.

Der Computer weiß verdammt viel. Er unterscheidet zwischen Openern und Slow- Downs, zwischen standardrotierenden Titeln, die nur einmal im Monat laufen sollen und der Neuliste mit den aktuellen Hits, die eventuell täglich verbraten werden sollen. Und weil der Computer nur vorschlägt und sich auch die vordefinierten Stundenpläne umändern lassen, ist dieses System für die Erstellung eines Tagesbegleitungs-Soundtracks, der nichts will als in einem geschmacklichen Rahmen wenig Hörer vergrätzen, sicher ein wertvolles Hilfsmittel.

Man muß das Plätschern lieben, nicht die Musik, wenn man an einem solchen Programm arbeitet. Der leichte, reibungslose Fluß der Radioereignisse muß einem als ein Wert an sich erscheinen, damit man akzeptieren kann, daß die Musik nicht Kommunikationsmittel ist, sondern nichts als das Klebmittel, das die Zuhörer an den Fliegenfänger Sender fesseln soll. step