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"Er ist fast verblutet"

■ Mutmaßliche Hooligans griffen Discobesucher mit abgebrochenem Trinkglas an und verletzten ihn schwer

Prenzlauer Berg. „Eine Narbe im Gesicht wird mir mein Leben lang bleiben“, glaubt ein junger Ostberliner, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung sehen möchte. An die acht mutmaßliche Hooligans hatten den 22jährigen in der Nacht von Samstag auf Sonntag in der Jugenddisco „Atelier 89“ in der Greifswalder Straße zusammengeschlagen und so schwer verletzt, daß er nach Aussage einer Augenzeugin „fast verblutet wäre“. Der Vorfall wurde jedoch weder im Pressedienst der Polizei erwähnt noch in einem der Fernschreiben, die ihrer Pressestelle zugehen.

Gegen gegen zwei Uhr morgens, berichtete die Augenzeugin der taz, seien etwa acht Jugendliche in die bis dahin „äußerst nette Atmosphäre“ des Jugendclubs eingebrochen. „Mit ihren einheitlich weißen Schals und ihren kurzen Haaren“, so die Zeugin, „sahen sie wie Rechte aus.“ Zuerst „saßen sie noch an der Bar und benahmen sich daneben, einer wollte mir sogar an die Brust fassen“. Als Club und Tanzfläche gegen drei Uhr fast leer gewesen seien, hätten sie einen „Kampftanz“ hingelegt und dazu immer nur geschrien: „Haß Haß Haß!“

Ihr späteres Opfer wagte es, die Männer deshalb anzusprechen: „Ich habe denen gesagt, sie sollen aufhören, andere zu belästigen. Nichts weiter. Ich bin nicht der Typ, der sich gerne prügelt.“

Auch er hielt die Eindringlinge für Rechte, aber er kam nicht mehr dazu, weiter darüber nachzudenken: „Die kamen sofort auf mich zu, zerschlugen ein Trinkglas und rammten mir die Scherbe drei Zentimeter neben dem Auge rein.“ Die Ärzte im Krankenhaus Weißensee brauchten später fast zwei Stunden, um die klaffende, zwei Zentimeter tiefe und acht Zentimeter lange Wunde zu vernähen.

Zuvor hatte die Augenzeugin, eine Medizinstudentin, die Verletzung notdürftig mit Küchentüchern zugedrückt, um das herausschießende Blut zu stoppen.

Seelenruhig hätten die Täter dabei zugeguckt, berichtete sie, einige hätten sogar noch an der Bar weitergetrunken, bis Feuerwehr und Polizei eintrafen. Die Polizei habe drei von ihnen abgeführt und die Zeugen nach dem Geschehenen gefragt. Seltsam fand sie dabei aber, „daß die Polizisten nicht mal die Adresse von uns Frauen notierten. Meine Freundin und ich haben uns am nächsten Tag deshalb noch mal bei der Polizei gemeldet.“

Der Vorfall habe sie sehr geschockt, gab sie zu. Immerhin seien nur Stunden zuvor „an die 100.000 zur Lichterkette auf die Straße gegangen. Und danach terrorisieren uns ganze acht Rechte.“ usche

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