: Sicherer Hafen Schreiben
■ Die anglo-irische Schriftstellerin Moy McCrory zeigt Bremer Studenten kreatives Schreiben / Ein taz-Gespräch
Moy Mc Crory, „Writer In Residence“Foto: Tristan Vankann
Moy McCrory, Jahrgang 1953, ist in Liverpool als Tochter irischer Eltern aufgewachsen. Nach Abschluß ihrer Schulzeit studierte sie in Belfast/Nordirland Design. „At The Waters Edge“ und „Bleeding Sinners“ waren ihre ersten Bücher mit Short-Stories. Mit „The Fading Shrine“ folgte 1990 ihr erster Roman, gefolgt von „Those Sailing Ships Of His Boyhood Dreams“. Neben ihrer Lehrtätigkeit an der London University schreibt sie auch Theaterstücke und hat eine regelmäßige Zeitschriften-Kolumne.
taz: Moy McCrory, Sie sind in Liverpool, im Stadtteil Toxteth, aufgewachsen. Wir in Deutschland kennen dies Gebiet aus den
hier
die
Frau
mit
Haaren
und
stirn
darunter
Medien als Aufruhr-Gegend in den 80er Jahren.
Moy McCrory: Zu meiner Jugendzeit war das eine ganz „normale“ Gegend, nicht so heruntergekommen wie heute. Wir haben den ganzen Tag auf der Straße zugebracht, Gärten hatte ja keiner. Damals hatten wir da eine funktionierende Nachbarschaft. Die Türen waren nie abgeschlossen, Frauen saßen auf den Stufen. Das mag sich sentimental anhören, aber es war auch eine sehr arme Gegend.
Sie haben Liverpool verlassen als Sie Anfang zwanzig waren. Sie gingen über die Irische See nach Belfast. Warum?
Ich mußte weg. Ich war unglücklich. Meine Kindheit war unglücklich. Es ging nicht mehr. Die Ehe meiner Eltern war nicht gut, aber was heißt das schon? Die anderen Ehen in unserem Viertel waren ja auch nicht besser. Irgendwie mußte ich zurück zu den Wurzeln. Es hat mein späteres Schreiben wohl sehr beeinflußt. Ich fühlte mich wie ein Rohling. Zuhause in Liverpool war ich die Irin, in Belfast nannten sie mich Engländerin. Das war schrecklich.
Wann haben Sie erkannt, daß Sie schreiben wollen?
Das war, als ich nach London ging, zu Beginn der 80er. Ich mußte so viel nachdenken über meine Vergangenheit, manchmal war ich so sauer. Das habe ich dann niedergeschrieben. Es ist eben etwas anderes, ob man jemandem etwas erzählt oder es aufschreibt. Das gesprochene Wort ist so schnell gesagt. Beim Schreiben kann ich wirklich ausdrücken, was ich mitteilen will. Dieses Interview hier ist auch etwas bedrohlich. Was ich jetzt sage, kann mich weiter verfolgen, ohne daß ich ausreichend Zeit gehabt hätte, alles genau auszudrücken. Ich kann doch nicht beweisen, ob Sie mich falsch zitiert haben werden. Da ist das geschriebene Wort sicherer für mich.
Wenn Sie schreiben, wie geht das vor sich?
Bei den Kurzgeschichten erinnere ich mich gern an eine meiner Tanten. Die war eine begnadete Erzählerin. Das habe ich aufgesogen. Ich setze mich hin und lasse es fließen. Es kommt einfach so. Die Romane, die ich konstruiere, sind natürlich viel arbeitsintensiver. Wenn ich eine Idee habe, ist das ein beinahe aufwühlender Moment. Es ist so spannend, sich eine Geschichte vorzustellen. Sie dann auch aufzuschreiben und die richtigen Worte dafür zu finden, ist eine Sache von Mitteilsamkeit. Es ist wie ein Zwang, sonst könnte man nicht weitermachen. Ohne Schreiben würde ich nicht leben.
Und was heißt Humor für Sie?
Eine Menge. Am Humor liebe ich, daß man jeden zum Lachen bringen kann, und im nächsten Moment weint er. Ich schreibe gern Geschichten, die herzzerreißend sind, aber umrahmt von vielen absurden und witzigen Deatils. In meinem ersten Buch kommt eine Frau vor, die einen totalen Kontrollverlust über ihre Umwelt hat, ihr Haus ist voller Dreck. Aber ich erzähle das so, daß die Frau auf eine sehr witzige Art zurückschlägt. Ihre Verzweiflung schlägt um in Spott. Das ist so bei Tragödien, sie haben immer eine unterschwellig humorige Seite. Beerdigungen sehe ich auch so. Ich mag keine billigen Witze, aber sie sind so bizarr. Jürgen Francke
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