: Saugrüssel kommen viel zu langsam
■ Stinkende Benzindämpfe bleiben Alltag an Hamburgs Tankstellen / Bis 1997 muß umgerüstet sein / Konzerne lassen sich Zeit
bleiben Alltag an Hamburgs Tankstellen / Bis 1997 muß umgerüstet sein / Konzerne lassen sich Zeit
Vor inzwischen fünf Jahren wurde in Hamburg die erste Zapfsäule mit Saugrüssel der Republik vorgestellt. Es war ein schnell vergessener PR-Gag mit Bonner Polit- Prominenz und Medienrummel. Bis 1997 bleibt den Mineralölkonzernen Zeit, ihre rund 19000 Stationen mit umweltfreundlichen Gasrückführsystemen auszustatten. Doch diese Frist — das ergab eine Umfrage unter den überwiegend in Hamburg ansässigen Ölmultis — wollen die Unternehmen bis zuletzt ausschöpfen. „Wir sind mitten in der Planung. Ein konkreter Investitionsplan für die neuen Systeme steht noch nicht fest. Wir werden aber auf alle Fälle fristgerecht umrüsten“, lautet fast einheitlich der Planungsstand.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace drängt indes zur Eile: „Das krebserregende Benzol und die übrigen Kohlenwasserstoffe, die beim Tanken entweichen, müssen schnellstens reduziert werden.“ An vielen Tankstellen werden laut Bundesumweltministerium Benzolkonzentrationen von bis zu 3000 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen — weniger als zehn Mikrogramm müßten möglich sein. Mit der Gaspendelung könnten bis zu 75 Prozent der Dämpfe zurückgehalten werden, was den Ausstoß von Kohlenwasserstoffen an Tankstellen (45000 Tonnen pro Jahr) entsprechend reduzieren würde, urteilt das Umweltbundesamt.
Dagegen stöhnt die Ölbranche über die Kosten: „Im Verhältnis zum Aufwand ist der Effekt für die Umwelt gering“, urteilt Esso-Sprecher Alexander Geck. Für die Umrüstung einer Tankstelle müßten 80000 bis 150000 Mark kalkuliert werden — für die gesamte Branche also rund zwei Milliarden Mark.
Noch ist der Saugrüssel eine Seltenheit: Nur gut 100 Stationen verfügen über das System. „Die neuen Stationen erhalten alle einen Saugrüssel. Bei Umrüstungen werden wir versuchen, die Kosten sinnvoll auf die Jahre zu verteilen“, so Aral- Sprecher Gerd Lengsdorf. Erst seien die Großtankstellen in Ballungsgebieten dran, dann die kleineren Stationen.
Für die Verbraucher ist die Umstellung schwer zu erkennen: Im Gegensatz zu Systemen in den USA mit unhandlichen Gummimanschetten werden die großen Konzerne — Aral, DEA, Esso, Shell und BP — ein leicht bedienbares Aktiv- Pumpsystem einsetzen. Dabei werden die Dämpfe über ein kleines Saugrohr, das an der Wand des Spritzrohres befestigt ist und wie ein Staubsauger funktioniert, innerhalb der Zapfpistole zurückgeführt. Das Kraftstoff-Rohr ist dann zwar etwas dicker, paßt aber in jeden Tank. Auch könnte der Kraftstoffpreis um etwa einen Pfennig ansteigen: Langfristig, so die Konzerne, werde versucht, die Kosten auf die Preise umzulegen. dpa/taz
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