Auf dem Arbeitsmarkt droht ein Desaster

■ Hiobsbotschaft: weniger als 1000 AB-Maßnahmen Ende 1993 / Neubewilligungen fast unmöglich / Geld aus Bonn fehlt

Ende 1993 / Neubewilligungen fast unmöglich / Geld aus Bonn fehlt

Jetzt scheint die arbeitsmarktpolitische Krise amtlich: Nach den neuesten Informationen des Präsidenten des Landesarbeitsamts Nord, Georg Fiedler, droht in der Hansestadt der totale Zusammenbruch bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM).

Wie Fiedler gestern im Arbeitsamt-Verwaltungsausschuß berichtete, wird 1993 wohl nicht mit weiteren Haushaltsmitteln für ABM von der Bundesanstalt für Arbeit (BA) zu rechnen sein. Folge: Von derzeit 3000 ABM-Stellen würden Ende '93 nur etwa 300 übrig sein. Diese Hiobsbotschaft überbrachte gestern Hamburgs DGB-Chef Erhard Pummm.

Schon vor kurzem waren die ersten Anzeichen für die Finanzkrise spürbar: Im Januar hatte die BA statt der üblichen 10-Prozent Vorabzahlung nur fünf Prozent überwiesen. Begründung: mangelnde Übersicht über die eigene Haushaltslage. Das Dilemma: Mit dieser Summe — 6,3 Millionen Mark — kann die Arbeitsverwaltung nicht einmal die Stellen bezahlen, die sie bereits im Dezember bewilligt hat. Schon jetzt benötigte Hamburg 8,5 Millionen Mark, um zugesagte ABM oder ihre Verlängerung abzusichern. Dadurch sind bereits 500 Jobs gefährdet.

Aber es kommt noch schlimmer: Die Bundesanstalt hat nach Ansicht des DGB-Chefs auch ihre Zusage gebrochen, 1993 die Absicherung von 3000 AB-Maßnahmen zu garantieren. Und dies mit einem Trick: Statt eine Summe zur Verfügung zu stellen, die über das gesamte Jahr 3000 Arbeitsplätze sichert, rechnet die BA die schon im Herbst ‘92 bewilligten Maßnahmen voll auf den Haushalt '93 an. Die sukzessive auslaufenden Stellen (bis zum Sommer etwa 50, danach Hunderte pro Monat) werden dann nicht weiterfinanziert. Erst 1994, so Pumms Rechnung, wird wieder Geld für neue Stellen bereitgestellt werden. Im Klartext: 1993 werden ABM- Neubewilligungen fast unmöglich.

Die Auswirkungen einer solchen Kahlschlagpolitik sind für Hamburg unübersehbar: Denn nicht nur Tausende der befristeten Arbeitsplätze würden vernichtet, sondern zusätzlich auch Hunderte an festen Stellen bei Beschäftigungsträgern und Projekten gefährdet, deren Angebote auf ABM-Beschäftigte ausgerichtet sind. Außerdem wäre ein großer Teil der sozialen Infrastruktur der Hansestadt bedroht.

Erst am 9.März wird bei der Bundesanstalt in Nürnberg über die weitere Zukunft entschieden. Doch laut Pumm konnte selbst Landesarbeitsamts-Chef Fiedler gestern „keinen Silberstreif Hoffnung am Horizont“ entdecken. Nur durch einen Nachtragshaushalt der Bun-

1desregierung könnte das Finanzloch noch gestopft werden. Doch darauf zu hoffen, scheint fast aussichtslos. Denn auch andere Bereiche der Arbeitsförderungspolitik wurden eingedampft. So droht für Teilnehmer von Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen eine Beteiligung

1an Schulkosten, und auch die Kürzung des Arbeitslosengeldes ist noch nicht vom Tisch. Zudem sollen in diesem Jahr im Hamburger Arbeitsamt bis zu 220 Stellen abgebaut werden.

Auch in der Sozialbehörde wurde man sich gestern des Aus-

1maßes der Krise bewußt. Sollte das Defizit von 88 Millionen Mark nicht durch die BA gedeckt werden, käme laut Sprecher Hans-Joachim Breetz auf Hamburg „extrem Schlimmes“ zu. Dann rutschte die Zahl der ABM tatsächlich unter die 1000er Grenze. Sannah Koch