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Zehn Züge vorausdenken

■ betr.: "Ein Politiker ohne Strategie" von Dunja Melcic, taz vom 25.1.93

betr.: „Ein Politiker ohne Strategie“ von Dunja Melcic,

taz vom 25.1.93

Wieder einmal durften wir in der taz einen „Hintergrundbericht“ von Dunja Melcic lesen, der so ganz und gar nicht hintergründig ist. Nur wechselte sie ihre Methodik und präsentiert uns diesmal Herrn Tudjman als Symbolfigur für schwache Politik, aber pompöses Auftreten. Dies reflektiert ihren altbekannten Stil, man könne die Not in Bosnien nicht durch wichtiges Getue lindern, sondern müsse sofort militärisch intervenieren. Nichtsdestotrotz setzt sie noch einen drauf und fordert die Aufhebung des Waffenembargos gegenüber Bosnien, und deklariert dies auch noch mit einem „moralischem Imperativ“. So etwas grenzt an Demagogie und läßt die Frage offen, inwiefern sie sich mit dem Krieg zu stark identifiziert, so daß ihr emotionsgeladener Bericht nicht ein Produkt mangelnder Distanz bedeutet.

Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben... bescherte uns in der Geschichte schon viele blödsinnige Kriege, und all die zu denunzieren, die mit anderen Mitteln dem Geschehen ein Ende setzen möchten, und ihnen ferner noch vorzuwerfen, sie seien sich der kriegerischen Realität nicht bewußt, ist absurd und dumm. Sie selbst arbeitet mit bloßen Tatsachenbehauptungen, deren Inhalte sie für nicht einmal erklärenswert hält.

So sei die staatliche Unabhängigkeit Kroatiens ein Auftrag des Volkes gewesen, wobei gescheut wird zu definieren, weshalb und warum das Volk dies wollte, da sie eine Beeinflussung von „oben“ her leugnet. Ferner scheint sie bestens mit den Mentalitäten der kroatischen Bevölkerung und deren Präsident vertraut zu sein, der seine serbische Verwandtschaft „todsicher“ liebe, als wäre dies ein Beweis dafür, keinen Serben zu hassen. Daß seine Innenpolitik, den Serben Grund, Boden und Häuser zu enteignen, da sie die kroatische Staatsbürgerschaft nicht erhalten, von großer Liebe spricht, kann man nicht gerade behaupten.

Zu guterletzt ein Plädoyer für ein militärisches Eingreifen, jedoch was Kritiker beanstanden... scheint sie nicht zu interessieren, drum Frau Melcic: EinE SchachspielerIn denkt meist bis zu zehn Züge voraus, bevor einer getan wird. Stephan Stomporowski, Lübeck

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