: Bonn: Wir waren am Golf dabei
■ Bundesregierung gesteht indirekte Beteiligung deutscher Awacs-Besatzungen am Golfkrieg
Bonn (taz) – Die Bundesregierung hat jetzt offiziell eingeräumt, daß deutsche Soldaten an Bord von Awacs-Maschinen der Nato indirekt am Golfkrieg beteiligt waren. Nach Angaben des außenpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Karsten Voigt, gaben die Awacs-Maschinen, die damals an der türkisch-irakischen Grenze patrouillierten, Daten an die US- amerikanischen Awacs-Maschinen in Saudi-Arabien weiter. Dies hätten der Staatssekretär im Verteidigungsministerium Jörg Schönbohm und der Staatsminister im Auswärtigen Amt Helmut Schäfer gestern im Auswärtigen Ausschuß zugegeben. Nähere Angaben über die Art dieser Daten wurden den Abgeordneten lediglich vertraulich mitgeteilt. Das damals von Hans-Dietrich Genscher geführte Außenministerium soll, so Voigt, zumindest teilweise über die Einsätze informiert gewesen sein.
Eine direkte Beteiligung der Nato-Aufklärungsflugzeuge an Kampfeinsätzen stritten Schäfer und Schönbohm ab. In der Presse veröffentlichte Zitate deutscher Offiziere, sie hätten an Bord der Awacs- Maschinen an der Feuerleitplanung für alliierte Angriffe im Golfkrieg teilgenommen, bezeichneten die Vertreter der Bundesregierung als „Kunstzitate“.
Voigt sprach dennoch von einem Vorgang, der „überhaupt nicht zu entschuldigen“ sei. Insbesondere sei es nicht akzeptabel, daß das Parlament von der Art dieses Einsatzes erst durch Presseveröffentlichungen erfahren habe. Schäfer und Schönbohm, so Voigt, hätten die Geheimhaltung gestern mit der angeblichen Gefahr begründet, daß es im Fall einer Veröffentlichung zu einer „Eskalation“ gekommen wäre, bis hin zum „Bündnisfall“, also einem irakischen Angriff auf das Nato- Land Türkei.
In der Diskussion über einen möglichen Einsatz von Awacs-Maschinen der Nato über Bosnien-Herzegowina hatte Verteidigungsminister Volker Rühe am 12. Januar in einem Brief an Bundeskanzler Kohl auf die Awacs-Einsätze am Golf verwiesen. Rühe verwendete in diesem Brief den Ausdruck „Präzedenzfall“ und warb dafür, genauso wie vor zwei Jahren in der Türkei die deutschen Soldaten auch bei Awacs-Flügen über Bosnien nicht abzuziehen. Bislang lehnt dies Außenminister Kinkel (FDP) wegen fehlender verfassungsrechtlicher Grundlage ab.
Inzwischen hat die Koalition offenbar zu einer gemeinsamen Sprachregelung gefunden.
Rühe wollte gestern den Begriff „Präzedenzfall“ nicht mehr verwenden. Vergleiche man die Einsätze in der Türkei mit möglichen Einsätzen in Bosnien, dann gebe es „Vergleichbares“, und es gebe „Unterschiede“.
Kinkels Staatsminister Schäfer wiederum bezeichnete den Türkei-Einsatz nach Voigts Angaben als verfassungsgemäß. Allerdings, so erklärten Schönbohm und Schäfer den Abgeordneten, gebe es bei den Nato-Bündnispartnern die Erwartung, daß für die Deutschen ihr Engagement im Golfkrieg eine „Präzedenzwirkung“ entfaltet. Hans-Martin Tillack
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