Geisterbahn unter Tage

■ Neuer Flächennutzungsplan sieht U-Bahn-Linie vom Lehrter Bahnhof nach Marzahn vor / Planung aus den Vierzigern

Berlin. Der Entwurf zum Flächennutzungsplan, mit dem die Stadtplanung weit über das Jahr 2000 festgelegt werden soll, sorgt für Überraschungen. Die Stadtplanungsverwaltung hat in der riesigen Karte von Berlin eine bisher auch Fachleuten unbekannte U-Bahn-Linie vorgesehen, die den Bezirk Marzahn mit dem Lehrter Stadtbahnhof verbindet. Der U-Bahn-Tunnel soll unter der Landsberger Allee (ehemals Leninallee), der Mollstraße, der Wilhelm-Pieck-Straße zu dem S-Bahnhof geführt werden, an dem auch der neue zentrale Umsteigebahnhof für die Eisenbahn entsteht.

Um die Untergrundbahn zu verwirklichen, müßte der Tunnel unter dem Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal, dem Nord-Süd-Tunnel der S-Bahn und dem Tunnel der U6 hindurchgegraben werden. Wie Tomas Spahn, Sprecher der Verkehrsverwaltung, gestern der taz sagte, sei der Bau dieser U-Bahn aber nicht konkret geplant. Mit der eingezeichneten Strecke im Flächennutzungsplan, den das Abgeordnetenhaus Ende 1994 verabschieden soll, werde eine Option für die Trasse offengehalten. Planer aller Berliner Verwaltungen müßten bei Bauvorhaben die Trasse berücksichtigen, die bereits im Flächennutzungsplan der vierziger Jahre vorgesehen gewesen sei.

Rüdiger Lemnitz, Leiter des Referats Bahnplanung, begründete die U-Bahn-Option gestern damit, es sei absehbar, daß die auf der beschriebenen Strecke verkehrende Straßenbahn eines Tages ihre Kapazitätsgrenze erreichen werde. Dann müsse sie durch eine U-Bahn ersetzt werden. Dieser Zeitpunkt sei allerdings in so weiter Ferne, daß die Leser der taz die Inbetriebnahme nicht mehr erleben werden. Im Gegensatz zur Eröffnung der U-Bahn-Linie 3: Hier seien die Pläne sehr viel konkreter, auch wenn die Verbindung zwischen Wittenbergplatz, Potsdamer Platz, Alexanderplatz und Weißensee auf keinen Fall in den nächsten zehn Jahren fertiggestellt werde.

Der Fahrgastverband IGEB, der die „Geisterbahn“ nach Marzahn im Flächennutzungsplan entdeckt hat, kritisiert diese Option. Tram-Experte Matthias Horth sagte der taz, die Option auf die U-Bahn stehe im eklatanten Widerspruch zu dem Versprechen von Verkehrssenator Haase (CDU), die Straßenbahn-Linie 4 über die Invalidenstraße und die Sandkrugbrücke zum Lehrter Bahnhof zu verlängern. Die grundsätzlichen Bedenken seiner Verwaltung gegenüber der Tram zeige sich auch daran, daß bei der demnächst beginnenden Instandsetzung der Sandkrugbrücke keine Straßenbahngleise eingebaut werden. diak/thok