: Die FDP, der Filz und der Schlamm
■ Kleiner Parteitag der FDP: Nabelschau zwischen Opposition, Senatsbeteiligung und Vorstandswahl
der FDP: Nabelschau zwischen Opposition, Senatsbeteiligung und Vorstandswahl
Es hätte ein ganz harmonischer „Kleiner Parteitag“ werden können. FDP gegen Ausländerfeindlichkeit, FDP gegen die neue EG-Bananenordnung, FDP gegen die Politik des Hamburger Senats. Ganz normal. Wurde es aber nicht. Was Hamburgs Freie Demokraten am Donnerstagabend im Wilhelmsburger Bürgerhaus aufführten, war ein Paradestück Hamburger Polit- Wirklichkeit. Motto: die Stadt, der Filz und der Schlamm.
Anlaß für die freidemokratische Nabelschau war ein Dringlichkeitsantrag des Vorsitzenden des FDP- Kreises Vier- und Marschlande, Jörg Mußeleck, in dem Ex-Wirtschaftssenator Wilhelm Rahlfs aufgefordert wurde, sein Bürgerschaftsmandat niederzulegen. Rahlfs, so die Begründung, sei als Geschäftsführer der vom Senat gegründeten „Untersuchungs-GmbH S-Bahn-Übernahme“ zu eng mit dem Senat verflochten.
Eine Abhängigkeit, die dem Kreisvorsitzenden doch sehr wie Filz aussah, wie jener Stoff also, aus dem in der Regel FDP-Attacken gegen den SPD-Senat sind. Erschwerend, so Mußeleck, käme hinzu, daß die Gründung dieser S-Bahn-GmbH absolut überflüssig gewesen sei. Ein typischer Fall von sozialdemokratischer Versorgungswirtschaft, in diesem Fall angewendet auf einen ehemaligen FDP-Senator.
Eine Argumentation, die für viele Parteitagsdelegierte nachvollziehbar gewesen sein müßte, schließlich hatte selbst die Bürgerschaftsfraktion nicht für die Gründung der S-Bahn-GmbH gestimmt. Dennoch: Ein Sturm der Entrüstung erhob sich, verstärkt noch durch Mußelecks taktischen Winkelzug, seinen Antrag zu Beginn der Debatte zurückzuziehen, gleichzeitig aber zu betonen, die Vorwürfe gegen den Ex-Wirtschaftssenator erhalte er aufrecht.
Und damit sind wir beim Kapitel Schlamm. Rahlfs ist nämlich nicht nur Bürgerschaftsabgeordneter und S-Bahn-Übernahmeprüfungs-Geschäftsführer. Rahlfs möchte auch gerne neuer FDP-Landesvorsitzender werden. Im April soll gewählt werden.
Im Kandidatenring stehen bisher der amtierende Vorsitzende Robert Vogel (mag Rahlfs nicht besonders), Rahlfs (mag Vogel nicht besonders) und der Vorsitzende des FDP-Kreises Alstertal, Rolf Löchelt (mag weder Vogel noch Rahlfs). Der Filz-Angriff auf Rahlfs, so vermuteten die meisten Parteitagsdelegierten, sei nichts anderes als der Versuch, Rahlfs als Kandidat unmöglich zu machen.
„Infam“, „parteischädigend“, „unwürdiges Schauspiel“, „Schlammschlacht“, „miese Tour“. Der „Kleine Parteitag“ kochte auf großer Flamme. Im Topf: Rahlfs, dem zwar die Sympathien sicher waren, der nach dieser parteiinternen Attacke aber nur noch äußerst geringe Chancen auf den Parteivorsitz haben dürfte. Abgekocht auch der zweite Kandidat, Rolf Löchelt, der die Vorwürfe gegen Rahlfs in abgemilderter Form mittrug und dafür wenig Applaus und viel Hohn erntete. Verbrennungen auch bei der FDP insgesamt. Zu deutlich der Widerspruch zwischen öffentlicher
1Kritik am und Zusammenarbeit mit dem SPD-Senat.
Einzig Alt-Star Robert Vogel machte die Hitze des Wortgefechts anscheinend wenig zu schaffen. Locker zauberte er Senatsattacken samt einer Ehrenerklärung für Rahlfs („ein anständiger Kerl“) aus dem Ärmel, die gleichzeitig deutlich machten, wer nach dem April- Parteitag FDP-Chef sein wird: Robert der Große. Uli Exner
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