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Schwungvoller Adressenhandel füllt Briefkästen

■ Steigende Tendenz bei Direktwerbung/ Leichter Zugang zu Kundendaten

Berlin. Für Privates ist vor lauter Werbung oft kaum noch Platz: Handzettel, aber auch immer mehr persönlich adressierte Werbebriefe verstopfen die Briefkästen. In den Schreiben wird für so gut wie alles geworben. Lotteriegesellschaften, Buchverlage, Versandhäuser, Versicherungen suchen nach künftigen Kunden. Grundlage dieser Reklameform ist ein schwunghafter Handel mit Adressen und anderen Daten. 1992 wandten deutsche Unternehmen schon 20 Milliarden Mark für die Direktwerbung auf, wie Thomas Reis vom Deutschen Direktmarketing Verband sagt. Die Tendenz sei steigend.

83 Werbebriefe pro Jahr an jeden Haushalt

Die Flut der Werbebriefe ist enorm: Nach Angaben des Verbandes wurden 1991 allein in den alten Bundesländern rund 3,5 Milliarden verschickt, 2,3 Milliarden davon an Privathaushalte. Das sind im Durchschnitt 83 Schreiben pro Jahr an jeden Haushalt. Dabei werden die Offerten immer persönlicher: oft kennt der Absender nicht nur die Anschrift, sondern auch Beruf, Hobbies und Alter des Empfängers. Der Kunde staunt. „Täglich rufen bei uns Bürger an und fragen, wie das möglich ist“, sagt Claudia Schmidt, Mitarbeiterin des Berliner Datenschutzbeauftragten.

Die Adressensammler holen sich ihre Informationen aus allen öffentlich zugänglichen Dateien wie Handelsregistern, Messekatalogen und Branchenlisten, wie Reis erläutert. Versandhäuser bauten auch eigene Kundenkarteien auf. Darin werde genau Buch geführt wird, was wann welcher Kunde gekauft habe. Die Dateien vergäßen nicht: auch mehrere Jahre nach dem letzten Kauf werde die alte Kundschaft immer wieder angeschrieben. Die Versandhäuser vermieteten sogar ihre Daten an andere Unternehmen, sagt Reis. Auch der Tausch von Adressenlisten nehme zu. Beispiel: „Eine Rasenmäher-Herstellerfirma gibt ihre Erkenntnisse gern an einen Grassamen-Produzenten weiter und umgekehrt.“

Die Zielgruppen sind detailliert beschrieben

Der Preis für die einmalige Benutzung von 1.000 Adressen schwankt zwischen 80 und 200 Mark. Je komplizierter die Recherche für den Daten-Vermieter ist, desto höher liegt der Preis. Beim Vermieter kann gezielt bestellt werden. Die Gruppen, bei denen geworben werden soll, werden genau beschrieben. So kann etwa ein Unternehmer, der Eigenheimbauer anschreiben will, sogar zwischen den Gebäudetypen – „halbes Familienhaus, Reihendoppelhaus, Mehrfamilienhaus“ – wählen. Auch die Telekom verdient mit. Die Deutsche Postreklame – Tochter des Telefonunternehmens – handelt mit den Daten aus den Telefonbüchern.

Gründe für den boomenden Datenhandel gibt es viele: „Die Kosten für die normale Werbung sind in den letzten Jahren enorm gestiegen“, sagt Reis. Dies gilt insbesondere für die Spots im Fernsehen. Aber trotz aller Werbefilme und Plakate werde vielfach die Zielgruppe gar nicht erreicht. „Die Streuung ist zu groß.“ Es liege daher nahe, den möglichen Kunden speziell herauszufiltern und persönlich anzusprechen.

Der Handel mit Adressen und Daten ist völlig legal. Einmal erhobene Daten dürfen nach dem Bundesdatenschutzgesetz unbeschränkt weitergegeben werden. Eine Zustimmung muß der Kunde dafür nicht erteilen, aber er kann nach dem Gesetz Widerspruch gegen die Weitergabe einlegen. Der Berliner Datenschutzbeauftragte empfiehlt deshalb, unter Verträgen etwa mit Versandhausunternehmen zu vermerken: „Ich widerspreche der Nutzung meiner Daten für Werbezwecke oder für die Markt- oder Meinungsforschung.“ Möglich ist auch eine Eintragung in die sogenannte Robison-Liste des Direktmarketing-Verbandes. Wer in dieser Liste steht, soll von Werbesendungen verschont bleiben. Ulrich Scharlack/dpa

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