: Ohne Großpapa
■ Darf die Arte-Nachrichtensendung „8 1/2“ bleiben?
Straßburg (taz) – Reisen derzeit vor allem deutsche Direktoren des Kulturkanals rührig mit Hochglanzbroschüren in der Hand werbend durch die Lande, so kocht derweil im Sender manches über. In der Redaktion der Nachrichtensendung „81/2“ sollte Ende Januar gestreikt werden, weil die Sendung entsorgt werden soll. Die Arte- Leitung hat nämlich vor, die Nachrichten in Zukunft vom europäischen Nachrichtenkanal Euronews in Lyon produzieren zu lassen. Dietrich Schwarzkopf, Vize-Chef von Arte war am 20.Januar beauftragt worden, ein preiswertere Lösung für die Arte Nachrichten zu suchen. Während die Nachrichten von „81/2“ jährlich umgerechnet 12 Millionen Mark kosten, hat Euronews – wo die Journalisten in Personalunion Reporter, Cutter und Moderatoren sind – ein Angebot für umgerechnet 2,1 Millionen Mark gemacht.
Die Redaktion zog den Streikaufruf erst zurück, als die Arte-Direktion die Bildung einer Verhandlungskommission aus Journalisten und Direktoren ankündigte. Die Schlichtungsverhandlungen dieses Gremiums dauern zur Zeit noch an, näheres war für die taz nicht zu erfahren.
Arte, geistiger Sproß der zwei Senioren Kohl und Mitterand, war im Juni 1992 an den Start gegangen. Er heimste als Kulturgrenzgänger in der Nische, etwa mit seinen „Themenabenden“, Anerkennung wie Meriten ein. Ein Kern der deutsch-französischen Zusammenarbeit: der tägliche Nachrichtenblock der Sendung 81/2. Im Kreuzfeuer lag die tägliche Sendung um 20.30Uhr schon von Anfang an, denn dort wurde Freistil praktiziert.
Deutsche Kollegen lernten den französischen Journalismus kennen und französische Kollegen powerten die Themen und Tendenzen in das Magazin. Für unsere deutschen Mitbürger sei angemerkt, daß sich der Journalismus à la française durch zwei Merkmale auszeichnet, er ist verfügbarer, was Politik betrifft, und billiger. So nahm mangels Stromlinienförmigkeit Luc Rosenzweig, der stellvertretende Nachrichtenchef und Ex-Le Monde Deutschlandkorrespondent, bald seinen Schirm, André Harris, der französische Programmdirektor und gewichtige Konzeptionsgröße des gallischen Kulturfernsehens, tat es ihm nach.
Die deutsche Seite zeichnete sich unter Führung Dietrich Schwarzkopfs vor allem durch die schweigende Sitzfestigkeit der Direktoren aus, die, wie gesagt, sehr gern reisen. Auch was wert in harter Zeit, doch ungesund für Untergebene. So wurden etwa laufende Dienstleistungen Monate später erst honoriert. Darunter litt das Arbeitsklima, nicht jedoch litt die Kreativität der Redaktion von „81/2“, die als bislang einzige Nachrichtensendung ohne Moderator auskommt, ohne einen Großpapa, der vor gelungenem Gesteck gar Grausliges verliest.
Der Prüfungszeitraum, den die Arte-Leitung für das Euronews- Angebot festgelegt hat, beläuft sich übrigens auf zwei Monate. Er überbrückt exakt die Zeit bis zum zweiten Wahldurchgang der französischen Parlamentswahlen, solange noch dürfen die mit fest versprochenen Planstellenzusicherungen angelockten Redakteure die Sendung besorgen, derweil der Arte-Vorstand reist, mit Glanzpapierprospekten in der Hand. Rafael Strauß
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