piwik no script img

„Für Kritik keine Zeit“

■ Spagat zwischen Forschung und Business / Genforscher Dietmar Blohm neu in Bremen

Die Dias huschen schnell vorbei: Lebensmittel im Supermarkt, verkarstete Landschaften, ein durch Alzheimersche Krankheit geschrumpeltes Hirn. Was wie ein Sammelsurium erscheint, hat Prof. Dietmar Blohm mit Absicht zusammengestellt. Anhand der Bilder illustrierte er Einsatzgebiete und Chancen der Bio- und Gentechnologie in Medizin, Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Er zeigte sie zum Auftakt seiner Antrittsvorlesung vergangene Woche.

Mit der Berufung von Dietmar Blohm stärkt der Fachbereich Biologie und Chemie seine gentechnische Ausrichtung. Er folgt damit einem Trend, die Biologie von einer beschreibenden Wissenschaft in eine experimentelle, synthetische Technologie zu verwandeln.

Blohm, der aus Danzig stammt und 1974 in die BRD übersiedelte, hat an Instituten Station gemacht, die heute zu den Knotenpunkten gentechnischer Forschung zählen - so an der Akademie der Wissenschaften in Berlin-Buch, der Harvard Medical School in Boston und bei der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung in Braunschweig. Insgesamt 14 Jahre forschte Blohm im Auftrag der Industrie, in den Laboren des Chemiemultis BASF.

Die Gentechnologie habe ständig den „Spagat zwischen Grundlagenforschung und big business“

Geklont, bestrahlt, gesund? Leben aus ReagenzglasFoto:taz

u leisten, meint Blohm. Seine Biographie gibt ein Beispiel für die zunehmende Verquickung zwischen öffentlicher und privater Bio-Forschung.

Das neu ausgerüstete „Labor für biotechnische Analytik“, in dem Blohm arbeiten wird, soll denn auch als „Service-Einrichtung“ für Unternehmen zur Verfügung stehen. Dort wird ein Sequenzier-Automat zum Einsatz

kommen, der es ermöglicht, die Abfolge der chemischen Bausteine von Genen zu entschlüsseln. Damit kann sich das Bremer Labor einreihen in die internationale Riege der Geningenieure, die am Genomprojekt forschen.

Ziel dieses umstrittenen Mammutprojektes ist die Analyse sämtlicher menschlicher Gene, die nach heutigen Schätzungen aus ca. 3,8 Milliarden Bausteinen bestehen. Hat man erst die Reihenfolge der Bausteine, so die Hoffnungen der Forscher, hält man das Patentrezept zur Steuerung aller Lebensvorgänge in Händen. Von zwei menschlichen Chromosomen halte man bereits vollständige Gen-Karten in Händen, freut sich

Blohm über den Fortschritt der Gentechnik. Maus, Fliege, Wurm, Hefe und Darmbakterien sind neben dem Menschen als „Modellorganismen“ für die Forschung auserkoren. Blohm selber will die Sequenziertechnik vor allem nutzen, um die Funktionsweise von Nervenzellen zu erforschen. „Schließlich“, sagt er, „leben wir im Zeitalter des Gehirns.“

Auf Gefahren gentechnischer Experimente ging Blohm nicht ein. Er wolle solchen Diskussionen nicht aus dem Weg gehen, jedoch bliebe heute dafür keine Zeit, schloß er seinen Vortrag. Selbst auf die zaghafte Kritik seiner Kollegin Vallbracht ging Blohm nicht ein. but

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen