: Lehre und Forschung hilflos gegenüber Rassismus
■ Projekt am Institut für interkulturelle Erziehung sucht nach Konzepten für antirassistische Erziehung/ Historiker Wippermann fordert Rassismusforschung
Berlin. Gibt es eindeutige Konzepte, mit denen in den Schulen dem Rassismus begegnet werden kann? Ein Semester lang versuchten sich Pädagogikstudenten der Freien Universität an der Beantwortung dieser Frage, am Wochenende haben sie die Ergebnisse auf Stellwänden dokumentiert und im größeren Kreis diskutiert. Einige Vorschläge: Damit die Verständigung zwischen den Schülern besser klappt, sollen die Türen der Klassen ständig geöffnet bleiben; Eltern, Lehrer und Kinder sollen gemeinsam Sprachen lernen; Nachbarschaftscafés sollen eröffnet, multikulturelle Feste gefeiert werden.
Nette Gedanken, gleichwohl nicht neu und bestimmt keine Lösung des Rassismusproblems. Was aber auch nicht Ziel der Veranstaltung war. „Ziel war es, daß man mal gemeinsam über Verbesserungsmöglichkeiten nachdenkt und darüber redet“, sagt Gerhard Hader, als Mitarbeiter am Institut für interkulturelle Erziehung einer der Initiatoren des Projekts. Mehr als einen Beitrag leisten könne man kaum, „die Lehre allein kann den Rassismus nicht bekämpfen“.
Zumal sie selber nicht frei davon ist, wie der Historiker Wolfgang Wippermann in der Podiumsdiskussion darstellte. Kürzlich hatte der Faschismusforscher einige Sinti und Roma als Gastreferenten zu einem Rassismusseminar eingeladen. Bei mehreren Kollegen war das auf Widerstand gestoßen, einer habe sich erkundigt, „ob die überhaupt einen Doktortitel haben, zumindest einen Hochschulabschluß“.
Bezeichnend sei das für den universitären Umgang mit dem Problem, sagte Wippermann, es dominierten vielfach Unkenntnis, Fremdenfeindlichkeit, eurozentristisches Denken: „Rassisten haben wir genug, was fehlt, ist die Rassiusmusforschung.“ Unter den Historikern zum Beispiel gebe es beispielsweise lediglich einen einzigen Afrika-Fachmann. Erschwerend komme hinzu, daß für den Bereich Rassismusforschung kaum Geld zur Verfügung gestellt wird, was für Wippermann durchaus im Trend liegt: „Wir leben schließlich in einem Staat, in dem selbst die Opfer des Nationalsozialismus bis heute nur teilweise entschädigt worden sind.“
Dagegen plädierte Philosophie- Professor Wolfgang-Hans Haug dafür, „Forschung und Lehre nicht mit Problemen zu überfrachten, die nur außerschulisch lösbar sind“. Alle pädagogischen Versuche, dem Rassismus entgegenzutreten, müßten scheitern, wenn die Politiker keine Wohnungen bauten oder Arbeitsplätze schafften: Nur auf der politischen Ebene sei die Krise zu bewältigen.
Was Wippermann eher als Versuch ansieht, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Statt sich in ihre Handlungsunfähigkeit zu fügen, müßten sich die Professoren herauswagen und Forschung betreiben, die den Verfolgten hilft: „Nur Bücher schreiben und dabei den Morden draußen zusehen, ist fahrlässig.“ Wie sich indessen eine solche Forschung von der herkömmlichen unterscheiden soll, darauf blieb auch Wippermann die Antwort schuldig. ger
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