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■ In China boomt ein neuer Frauenberuf: BodyguardLeibwächterinnen mit Schliff

Peking (taz) – Die 27jährige Han Ying hat es satt. Sie ist von Männern in Tanzschuppen, in Karaoke-Bars und mitten am Tag auf der Straße belästigt worden. Wer es jetzt noch mal versucht, wird es bereuen. Han hat sich in einen Kung-Fu-Kurs eingeschrieben und macht eine Ausbildung in einem – für China – neuen Frauenberuf: weiblicher Bodyguard.

Han hat viel Zeit damit verbracht, Kung-Fu-Filme anzuschauen, in denen wunderschöne Heldinnen, gestylt mit schwerem Make-up und seidenen Hosenanzügen, schreckliche Rache üben, indem sie zerschmetternde Schläge und hohe Fußtritte mit der Eleganz einer Ballettänzerin austeilen. „Früher hatte ich nie die Gelegenheit, das selbst in die Praxis umzusetzen“, sagt Han mit ihrer weichen und sehr femininen Stimme. Das College, in dem sich Han eingeschrieben hat, wird von einem ehemaligen Dichter geleitet, Wang Geng, der klagt: „Ich wünschte, man würde uns ernst nehmen... Es gibt Leute, die vor unserer Tür warten, um Streit mit den Frauen anzufangen – nur um zu sehen, ob sie kämpfen können.“

Als er und sein Bruder die Nanking Brothers Public Relations Company im vergangenen Jahr eröffneten, wollten sie eigentlich nur charmante junge Damen zu Sekretärinnen und PR-Fachfrauen ausbilden. Aber sobald ihre Schülerinnen ins Berufsleben traten, trafen sie überall auf sexuelle Belästigung. „Engels hat gesagt, daß die gesellschaftliche Entwicklung eines Landes am Grad der Emanzipation der Frau gemessen werden sollte“, sagt Wang. Inspiriert von Engels beschloß er, täglich sechs Stunden Kung-Fu zu unterrichten. Das würde sich doppelt nützlich erweisen: Seine Schülerinnen lernten nicht nur, sich selbst zu verteidigen, sie könnten zugleich auch einen Job als Leibwächterin ausüben. „Was wir brauchen, sind Bodyguards, die sowohl schriftlich gewandt als auch im Kampfsport fit sind“, sagt Wang. Hunderte von Frauen schrieben sich in die Kurse ein und verbringen ihre Tage jetzt mit vielerlei Aktivitäten, vom Nahkampf bis zum Schießen und sogar Fallschirmspringen.

Jahrzehntelang hatten nur die höchsten Parteiführer des Landes Bodyguards. Schließlich rühmte sich China, die Kriminalität so weit ausgerottet zu haben, daß es unnötig war, sich einen Beschützer an der Seite zu halten. Die Politik der Wirtschaftsreform seit den achtziger Jahren hat eine Nation von Unternehmern geschaffen, und die Leidenschaften schlagen hoch, wo es um Geld geht. An ihren Rändern ist die chinesische Geschäftswelt ein von Banden beherrschter rechtloser Sumpf, in der Entführungen, Korruption und Prostitution blühen. Jeder, der was ist, hat einen Bodyguard. Eine Technologie-Firma in der Provinz Jiangsu hat sich bereits an Wang gewandt und will zehn seiner Leibwächterinnen einstellen. Auch die Chefs der Militärregion von Shanxi – von der man annehmen sollte, daß sie eigentlich fähig sein sollte, sich selbst zu verteidigen – wollen einige zum Schutz ihrer Geschäftsaktivitäten einstellen.

Wang ist möglicherweise der einzige Mann in China, der sich darauf spezialisiert, weibliche Bodyguards mit einem gewissen gesellschaftlichen Schliff auszubilden. Aber im ganzen Land nehmen Frauen und Männer an Kampfsport-Kursen zur Selbstverteidigung teil. Ein privater Geschäftsmann, der noch nicht so weit ist, daß er sich einen eigenen Leibwächter leisten kann, erklärte gegenüber der China Sports News, er sei auf seinen Geschäftsreisen immer starr vor Angst gewesen, in die Fänge von Diebesbanden zu geraten – bis er etwa dreihundert Mark ausgegeben und neun Monate lang Kung-Fu gelernt hatte. Catherine Sampson

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