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Prüfender Blick-betr.: "Kerzen über Berlin" von Micha Brumlik, taz vom 29.1.93

betr.: „Kerzen über Berlin“ von Micha Brumlik, taz vom 29.1.93

Ich gehe nicht hin zu der Lichterkette, ich lese die Zeitung. Dies ganz im Sinne Micha Brumliks, blendet doch das „religiöse Licht“, wohingegen „im Licht der Aufklärung das Auge die Zeugnisse und Schriften von Gegenwart und Vergangenheit selbst zu lesen vermag“. Doch ach – ich lese mit, und mein „prüfender Blick“ enthüllt mir genau die Symbolik, die Brumlik so tunlichst seiner Vernunft entgegensetzen möchte. Er setzt seine Lichtsymbolik (spricht er doch von „den im kalten Neonlicht verfaßten und beratenen Gesetzesvorlagen“, vom „taghellen Blick“) gegen die der Kerzen, stellt seinen Antirassismus gegen den verklärten Antirassismus der „Ergriffenen“, unterstellt den anderen, einem Weltbild zu verfallen, ohne die Welt zu verstehen.

Herr Brumlik, verstehen Sie die Welt? Was für einen Kampf führen Sie? Den des Wertes des unartikulierten Gefühls gegen die vernünftige Aufklärung? Nichts ist per se vernünftig, weder die Gerechtigkeit, noch der Friede, weder die Xenophobie, noch die Asylpolitik. Der von Ihnen so sehr beschworene „taghelle Blick“ auf die Geschichte eröffnet wohl Zusammenhänge und Fakten, allein: Eine Politik macht er nicht. Politik steht (im Guten und im Schlechten) im Dienste einer Zweckmäßigkeit, deren Ziel immer außerhalb der Vernunft, nämlich in der Ethik, begründet liegt. Ob dies wünschenswert ist oder nicht, steht hier nicht zur Frage. Die Manifestation einer gewünschten Zielrichtung aber, als die ich die Lichterketten verstehe, mit den Argumenten der Emotionalität, der Ästhetisierung und des Profits, den die Regierungsparteien daraus ziehen, zu stürzen, heißt das Kind mit dem Bade ausschütten. Denn schließlich und endlich: Die wirklichen Gewinner des Kerzenbooms sind Sie, ich und – die Erdölindustrie. Gabriella Burkhart,

Berlin-Charlottenburg

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