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Böser Eintopf-betr.: "Aus den Augen, aus der Welt" von Marcia Pally (Index on Censorship), taz vom 30.1.93

betr.: „Aus den Augen, aus der Welt“ von Marcia Pally (Index on Censorship), taz vom 30.1.93

Die Vorstellung von traut einherzeternden Religionsfanatikern und körperfeindlichen Emanzen läßt uns – die Hände schützend vors Genital gelegt – erschauern! Zensur – welch ein Teufelswort für aufgeklärte Menschen dieser Tage, die Freiheitlichkeit und Selbstverwirklichung ad infinitum propagieren.

Doch wie eindeutig ist der Begriff „sexuell eindeutiges Material“, auf den sich die Kritik an Zensur bezieht, wirklich; der Begriff, der die ganze Zeit in dem Artikel herumschwirrt und je nach Kontext mal auf Playboy-Bildchen und mal auf gewaltverherrlichende Vergewaltigungspornos bezogen wird? Als Ergebnis steht da ein böser Eintopf, der alles vermischt, was mit Sex in Zusammenhang gebracht werden kann, und frau wundert sich letztendlich, warum ihr bei Ablehnung perverser und degradierender Pornographie gleichermaßen die Ablehnung des „männlichen Begehrens per se“ untergeschoben wird.

Es ist natürlich gut erkannt, daß die Gewalt von Männern gegen Frauen nicht ursächlich von Bildern herrührt. Aber Bilder auf Papier (in diesem Falle besonders allgegenwärtig) prägen die Bilder in unserem Kopf. Selbst wenn „seriöse“ Untersuchungen bislang keinen Beweis erbrachten, daß Gewaltpornographie sexuelle Gewalt provoziert, drücken sich doch diese Bilder in das Unbewußte und treten auf subtilere Art zutage.

Zur berechtigten Kritik an Sinn und Unsinn von Zensur [...]: Ersetze die Position von Frauen in Gewaltdarstellungen durch Ausländer, Juden, Behinderte und bewerte die sofortige Beschlagnahme solchen „rassistisch eindeutigen Materials“ (wie sie im Moment auch existiert); Bilder trifft doch keine Schuld? Verena v. Keitz, Osnabrück

Der archimedische Punkt des Artikels ist der Begriff „sexuell eindeutiges Material“. Mit ihm steht und fällt sein Erkenntniswert. Aus der Sicht des Konsumenten wirkt zwischen Pornografie und seiner Lust die Phantasie, die jede sexuelle Eindeutigkeit ad absurdum führt. Was aber macht sich nach Auffassung der Autorin zwischen Subjekt und Objekt in wissenschaftlicher Betrachtung breit? Dem Gegenstand angemessen, wahrscheinlich reine Neugierde. Und so bliebe sprichwörtlich das Fazit zu ziehen: Dem Reinen ist alles rein, dem Schwein alles Schwein, was zu beweisen war. Den „rechten“ Feministinnen genauso erfolglos wie der fundamentalistischen Orthodoxie! Erika Odermatt, Köln

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