: Atomkonsens: Skeptische Politiker
■ Erstes Spitzengespräch der Minister Fischer, Töpfer, Schröder und Rexrodt/ Weitere Gespräche auf zwei Ebenen
Bonn (taz) – Mit deutlicher Ernüchterung endete gestern in Bonn das erste Spitzengespräch über einen neuen Energiekonsens. Sowohl Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) als auch sein hessischer Amtskollege Joschka Fischer (Grüne) äußerten „Skepsis“, ob ein Kompromiß erreicht werden könnte.
In der Frage eines Ausstiegs aus der Atomenergie seien die Positionen „weit auseinander“, sagte Fischer. Auch die beiden anderen Gesprächsteilnehmer, Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) und der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD), sprachen von der Möglichkeit eines Scheiterns. Schröder hatte gestern in einem Beitrag in der Frankfurter Rundschau seine Position noch einmal erläutert. Er setzt auf den bereits erwiesenen guten Willen der „direkt Beteiligten“ und den öffentlichen Druck, der noch wachse. Die „heute genutzte Atomtechnik“ werde auch ohne Konsengespräche „enden“, so Schröder, aber auch ihre Kritiker seien dann für die Energieversorgung der Zukunft verantwortlich: „Daß dann noch Strom aus der Steckdose kommt, ist zu hoffen.“ Und vorab die Rechtfertigung künftiger Kompromisse: „Es wird schwierig bleiben, dem Verdacht zu begegnen, Grundüberzeugungen geopfert zu haben, weil man sich auf das Machbare und Wesentliche bezieht.“
Sollte kein gemeinsames Ergebnis gefunden werden, müsse die Frage an die Wähler zurückgegeben werden, sagte Schröder mit Blick auf die für Ende 1994 angesetzten Bundestagswahlen. „Wenn man sich nicht einigt, soll man das nicht verwischen.“
Nach den Worten von Rexrodt werden die Verhandlungen formell Anfang März beginnen. Sie sollen „nach Möglichkeit“ bis zum Jahresende abgeschlossen sein. Bislang hatte Schröder die Hoffnung geäußert, bis zum Sommer Ergebnisse vorlegen zu können. Eine vorläufige Einigung erzielten die vier Verhandlungsführer über die Zusammensetzung der Verhandlungsdelegationen. Danach wird es zum einen eine zwölfköpfige Gruppe aus Parteipolitikern geben, mit je sechs Vertretern des Regierung und der rot-grünen Seite.
Auf einer „zweiten Ebene“, so Rexrodt, sollen Arbeitskreise eingerichtet werden, zu denen die „großen gesellschaftlichen Gruppen“ ihre Vertreter entsenden können, darunter Wirtschaft, Gewerkschaften und Umweltverbände. Auf die Frage, ob die Einbeziehung der Ökologen auch von der CDU getragen werde, wies Töpfer allerdings darauf hin, daß es sich bisher nur um einen gemeinsamen Vorschlag handele, über den er „nicht in alleiniger Entscheidung“ befinden könne.
Obwohl nur über Verfahrensfragen beraten wurde, brachen die inhaltlichen Gegensätze offen auf, als es um die Frage ging, auf welcher Grundlage verhandelt werden solle. Fischer warf der Bundesregierung nach dem Gespräch vor, sie sei „einen entscheidenden Schritt“ hinter die Initiative der norddeutschen Energiewirtschaft zurückgegangen, die der Auslöser für die Gespräche war. Den von ihm und Schröder geforderten Ausstieg aus der Atomenergie hätten die beiden Regierungsvertreter strikt abgelehnt. Offensichtlich sei es das Ziel der Bundesregierung, die Ausstiegsposition bei SPD und Grünen „aufzubrechen“.
Rexrodt bezeichnete die Kernenergie gestern zwar öffentlich als „unverzichtbar“. Fischer hat indessen beobachtet, daß der Liberale hinter verschlossenen Türen „wesentlich vorsichtiger“ als der auf die Atomkraft festgelegte Töpfer argumentiert habe. Jedoch sei die Frage offen, ob die Bundesregierung angesichts der nächsten Wahlen die Kraft zu einem Kompromiß aufbringe.
Eine „Akzeptanz oder Teilakzeptanz“ der Atomkraft sei von den Grünen aber nicht zu bekommen, warnte der hessische Umweltminister. Nach dem gestrigen Gespräch, so sein Resümee, sei er skeptischer als zuvor.
Auch Töpfer schraubte die Erwartungen herunter. Es wäre schon „ein Signal“, wenn die Verhandlungen in Teilbereichen Ergebnisse zeitigen könnten. Als Beispiel nannte der Umweltminister eine „neue Energiebesteuerung“, die zur Zeit noch von der Industrie vehement abgelehnt wird. Die Frage des Energiesparens sollte „im Mittelpunkt“ der Verhandlungen stehen. Wenn es um die künftige Rolle der Kernenergie gehe, so Töpfer, sei „Ausstieg ein offener Begriff“. Man könne darunter auch den Ausstieg aus bestimmten Kraftwerken oder „bestimmten Entsorgungsanlagen“ verstehen. Hans-Martin Tillack
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