: Schätze vom Kriegerhimmel
■ Verteidigungsminister will Luftwaffenmuseum von Norddeutschland nach Gatow verlegen / Wunschdatum: Der 40. Jahrestag der Bundeswehr-Gründung 1995
Berlin. Noch weht der Union Jack über Gatow, dem britischen Militärflugplatz am westlichen Stadtrand. Wenn jedoch Ende 1994 die britische Fahne eingeholt wird, sollen auf dem 450 Hektar großen Gelände mehrere Dienststellen der Bundeswehr untergebracht werden. Darunter werden dann nicht nur das Kommando der 5. Luftwaffendivision, zwei Fernmeldeeinheiten, ein Luftwaffenmusikkorps und – möglicherweise – eine Bundeswehrfachschule sein, sondern auch eine Einrichtung, die Westberlinern bisher unbekannt war: ein Luftwaffenmuseum.
Dessen bisheriger Standort: Appen nördlich von Hamburg. Zum Herbst 1995, wenn die Bundeswehr ihr 40jähriges Jubiläum feiert, sollen die ersten Exponate aus der norddeutschen Tiefebene in den Berliner Westen kommen, wie Ministerialrat Jürgen Bertram vom Bonner Verteidigungsministerium hofft: „Dann könnten wir den Berlinern unsere Schätze schon einmal zeigen, bevor wir an den generellen Umbau gehen.“ Eine endgültige Entscheidung steht jedoch noch aus: Während Berlin nach den Worten von Bertram seine Zustimmung zum Umzug signalisiert hat, ist eine Stellungnahme des Landes Schleswig- Holstein bisher nicht eingegangen – Mitte Februar läuft die Einspruchsfrist aus.
Unumstritten ist der Umzug keineswegs. Anfang Februar meldete sich der schleswig-holsteinische CDU-Landesvorsitzende Ottfried Henning mit dem Vorschlag zu Wort, das Museum von Appen solle ins nordfriesische Leck verlegt werden – um in der strukturschwachen Region einen „echten Ausflugsort“ zu schaffen. Davon hält der Leiter des Museums in Appen, Oberstleutnant Dieter Rogge (53), nichts: „Das wäre eine Verschlechterung, weil der Standort – wie unser jetziger übrigens auch – für Besucher nur schwer zu erreichen ist.“ Jährlich pilgern rund 30.000 Interessierte zu dem abgelegenen Gelände – daß die Hauptstadt angesichts solcher bescheidener Besucherzahlen ein weitaus attraktiverer Ort ist, wird von der Bundeswehr offen eingestanden. Zudem, so argumentiert Rogge, biete Gatow einfach mehr Platz: „Wir können dort mit Sicherheit acht von elf Hallen erhalten.“ Der Bestand des von Privatleuten in den sechziger Jahren initiierten und 1988 von der Bundeswehr übernommenen Museums wächst von Jahr zu Jahr. Derzeit zählt es rund 80 Maschinen, neben Nachbauten aus dem 1. und 2. Weltkrieg zum Großteil Flugzeuge, die von der Bundeswehr genutzt wurden. Darüber hinaus existiert eine umfangreiche Uniformsammlung. Rogge, von Beruf Politologe, lehnt es ab, daß „Museum zum reinen Aushängeschild von Waffentechnik zu machen“. Dies sei nicht mehr zeitgemäß. Seine Vorstellung: Die Militärgeschichte auf dem Hintergrund der politischen und gesellschaftlichen Ereignisse zu dokumentieren. Gerade Uniformen in ihrer Ausschmückung oder Schlichtheit spiegelten die soziale Stellung des Militärs in der Gesellschaft wider. Rogge will in Berlin eng mit dem „Museum für Verkehr und Technik“ kooperieren, das sich überwiegend auf die zivile Luftfahrt beschränkt hat. Davon verspricht sich der Berufssoldat auch ein „gewisses Korrektiv des militärischen Denkens“.
Ungeklärt ist bislang die Frage, ob das gesamte Museum oder nur ein Teil davon nach Berlin kommen wird. Über die Kosten hüllt man sich im Bonner Ministerium bisher in Schweigen. Allerdings, so gesteht Ministerialrat Bertram gegenüber der taz ein, handele es sich dabei „mit Sicherheit um mehrere Millionen Mark“. Ob – angesichts der derzeitigen Bonner Spardebatte – alle Wünsche realisiert werden können, darauf weiß auch Bertram keine Anwort. Sicher ist bisher nur: Appen, eines von drei Museen der Bundeswehr, soll nach dem Willen von Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) zusammen mit dem Militärhistorischen Museum in Dresden erhalten bleiben. Severin Weiland
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