piwik no script img

„Wir wollten die doch nur terrorisieren“

■ Prozeß wegen Brandstiftung gegen Ausländerheime und Döner-Bude/ Von sieben Angeklagten sind sechs arbeitslos

Moabit. Kurz nach den Ausschreitungen in Rostock brannte es im vergangenen Spätsommer auch in Berliner Ausländerunterkünften und Döner-Buden. Ein Wohnheim für vietnamesische Vertragsarbeiter in der Hohenschönhausener Zingster Straße wurde binnen kurzer Zeit sogar gleich zweimal zum Angriffsobjekt, allerdings mit glimpflichem Ausgang. Der erste Brandsatz, der durch ein Kellerfenster geworfen worden war, erlosch sofort. Beim zweiten Mal hatten die Täter im Keller und Treppenhaus Benzin ausgegossen und angezündet. Doch der Sachschaden – ein ausgebrannter Kinderwagen und verschmorter Fußbodenbelag – blieb gering. Seit gestern müssen sich die mutmaßlichen Täter, sechs junge Männer und eine Frau im Alter von 18 bis 25 Jahren, wegen schwerer Brandstiftung vor einer Jugendstrafkammer des Landgerichts verantworten. Alle sieben sind im wesentlichen geständig. Was ihre Motive angeht, hielten sich die meisten jedoch bedeckt.

An den beiden Anschlägen in den Nächten des 31. August und 3.September 1992 waren jeweils vier der Angeklagten beteiligt. Einzig der 24jährige Hauptbeschuldigte Rene N. war laut eigenem Bekunden beide Male dabei. Außerdem gab er zu, am 2. September zusammen mit zwei anderen Jugendlichen einen Brandanschlag auf einen türkischen Imbißstand verübt zu haben. Von den sieben Angeklagten ist Rene N. der einzige, der noch in U-Haft sitzt. Die übrigen sechs waren in den vergangenen Wochen nach und nach mit Meldeauflagen von der Haft verschont worden. Mit einer Ausnahme sind sie alle arbeitslos.

Von ihrem Outfit unterschieden sich die sieben gestern nicht von anderen ihrer Altersgruppe. Jeans, Sweatshirt, kurze oder halblange Haare. Einzig der 22jährige Ted K. hatte seine wasserstoffblonden Haare auf Stoppellänge geschnitten, bestritt aber vehement, ein Skinhead zu sein. So sehr sich der Vorsitzende Richter Leschonsky auch bemühte, die Motive der Angeklagten zu erforschen, er biß auf Granit: Man wisse nicht, wie alles angefangen habe, lautete die Standardantwort: „Ich war betrunken.“ Oder: „Das hat sich einfach so ergeben.“ Auch wer als erster auf die Idee gekommen war, wollten sie sich gestern nicht entlocken lassen. Bei der Polizei hatten sie sich zum Teil noch gegenseitig beschuldigt. Um so mehr suchten sie gestern glauben zu machen, daß sie die Bewohner des Heimes „keinesfalls“ hätten gefährden wollen. „Wir wollten bloß so terrorisieren und rumbrüllen: ,Deutschland den Deutschen‘ und so“, hieß es.

Doch Richter Leschonsky ließ nicht locker und konfrontierte die Angeklagten mit ihren früheren Aussagen bei der Polizei. Nun erst räumte der 21jährige Heiko W. ein: „Ich habe halt einen Haß auf die Vitten (Vietnamesen d. Red.), weil sie mich mal zusammengeschlagen haben.“ Aber er sei niemals ein Skinhead gewesen. Seine Haare seien extrem kurz geschnitten gewesen, weil er bei einer harten Arbeit sonst die Hitze nicht ertragen habe. Die 20jährige Daniela G., die bei dem zweiten Anschlag Wache geschoben hatte, bestritt hartnäckig, „einen Haß auf Ausländer“ zu haben: „Es gibt gute und schlechte, wie bei den Deutschen auch.“ Der Prozeß wird Freitag fortgesetzt. plu

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen