: Bremen setzt wieder auf Siemens
■ Polizei soll endlich ISA-D-Computer bekommen / Konkurrenz ist sauer / Vorwurf: Wieder Protektion für Siemens
Heute wird der Bremer Innensenator den Auftrag für die Ausstattung der Bremer Polizei mit einem Computer-System entscheiden. Noch in diesem Herbst sollen auf den Polizeistuben dann die alten Reiseschreibmachinen verschwinden, auf denen heute noch die Berichte geschrieben werden. Der Fernschreiber soll durch modernes „elektronic mailing“ ersetzt werden, der Zugriff auf bremische und überregionale Datenbänke soll nicht mehr per Telefonhörer und überforderter „Datenzentrale“ passieren, sondern direkt on-line — wie es dem Stand der Technik entspricht und in Bremerhaven seit Jahren üblich ist.
In einem intern umstrittenen, mit 3:2 Stimmen gefaßten Beschluß hat die Bremer Polizei aber nicht auf das funktionierende Bremerhavener System gesetzt, sondern auf Siemens — ein moderneres System, das unter Beteiligung des Bremer Rechenzentrums entwickelt worden ist. Die konkurrierende Firma UNISYS, die das Bremerhavener System geliefert hat und betreut, ist entsprechend sauer. „Die müssen vor die Wand laufen“, sagt der UNISYS-Vertreter Reimers: Beim Probelauf habe es nur Probleme gegeben und: „Die wissen noch gar nicht, was passiert, wenn das Ganze mal unter Vollast steht. Das System ist noch nie gelaufen.“
Das Bremerhavener System sei eine fertige Lösung auch für größere Probleme: Im internationalen Geldverkehr werde auf derselben Basis gearbeitet, die österreichische Postsparkasse hat es gerade für ihre 2700 Filialen bestellt. Nur in Bremen kann UNISYS nicht landen - wegen durchsichtiger Protektion für Siemens, behaupten die UNISYS-Leute. Das war schon damals so, als UNISYS-Vorgänger Burroughs den Auftrag für den Uni-Computer bekommen sollte und Forschungsminister Hauff im Interesse von Siemens intervenierte (vgl. taz 18.1.93) Aufgrund bremischer Siemens- Protektion hatte der deutsche Computerhersteller den Auftrag zur Ausstattung der gesamten Verwaltung mit PC's bekommen — und später wieder verloren (vgl. taz 9.1.93) In einem anderen Fall stellte der Bremer Rechnungshof eine „Grauzone“ bei der Vergabe von Aufträgen an die bremische Siemens-Tochter HEC fest. Die UNISYS- Leute können es sich nicht anders vorstellen, als daß auch in diesem Falle besondere Beziehungen den Ausschlag für Siemens gaben — gegen die fachliche Vernunft.
Denn an dem, was in diesem Jahr in Bremen installiert werden soll, ist Siemens in Hessen gerade gescheitert: Das dortige LKA hatte 1989 für Frankfurt das entsprechende Polizeicomputer-System bei Siemens bestellt, obwohl die Fachleute das Siemens-Angebot nur auf Platz 4 gesetzt hatten. Aber die deutsche Computerfirma hat eine Filiale in Nordhessen und dort geht es um Arbeitsplätze... Siemens- Spezialisten begannen zu arbeiten. Nach zwei Jahren hat Hessen den Vertrag mit Siemens aufgekündigt. „Immer wieder“ habe es „Abstimmungsprobleme“ gegeben, teilte das hessische Innenministerium im Juli 1992 mit, zudem „Nachforderungen“: Anstelle der 5 Millionen, für die Siemens den Zuschlag erhalten hatte, sollte der Spaß zwei Jahr später 15 Millonen kosten. Nach zwei Jahren war dabei das „fachliche Feinkonzept“ immer noch nicht zufriedenstellend, berichtete die „Computerwoche“ berichtete über das „Mängel-Projekt“.
In dem aktuellen Bremer Fall kommt zu dem bremischen Hang zu Siemens noch eines hinzu: Das Rechenzentrum bremischer Verwaltung (RbV) soll privatisiert werden. Wie aus der internen Senatsvorlage vom 27.1.93 dazu hervorgeht, sorgt sich der Senat aber um das „wirtschaftliche Risiko“: Computer- Fachleute geben dem staatlichen Rechenzentrum auf dem harten EDV-Markt kaum eine Chance — wenn sie nicht hinreichend durch quasiöffentliche Aufträge abgesichert sind. Wenn mit dem fachlichen Rat und der Stimme des Rechenzentrums der ISA- D-Auftrag an Siemens geht, wird für das Rechenzentrum eine Menge Arbeit abfallen.
Für den zuständigen Referenten beim Innensenator, Peter Bruns, gehen solche Unterstellungen ins Leere. Das System, für das sich die Stadt Bremen entschieden habe, sei bedienungsfreundlicher und moderner. Ein ähnliches Debakel wie in Frankfurt („Ich kann das nicht interpretieren“) sei mit dem Siemens-Polizeicomputer in Bremen nicht zu befürchten, sagt Bruns. Und: „Wir hoffen, daß das System Ende des Jahres läuft.“ K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen