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Gewerkschaften: Vor- demokratische Relikte

Sind Sie Angestellter und wollen für das Parlament der Angestelltenkammer, „Vollversammlung“ genannt, kandidieren? Sie sind wahnsinnig! Das geht natürlich nicht! Wer sich auf die Ochsentour der Hinterzimmer-Mauscheleien in den Gewerkschaftsapparaten nicht einlassen will, der hat keine Rechte. Nur Gewerkschaften dürfen überhaupt Listen aufstellen, so steht es im bremischen Kammer-Gesetz.

Das heißt: 80 Prozent der Angestellten haben null Einfluß auf „ihre“ Kammer, für die sie Beiträge zahlen. Die Gewerkschaftsapparate von DGB und DAG haben deshalb nicht ganz Unrecht, wenn sie die Wahl gleich ganz ausfallen lassen wollten und Geheimverhandlungen um die aufzuteilenden Posten und Gelder geführt haben. Auch das ist möglich, steht im Gesetz. Verstehen Sie jetzt, warum das nichtöffentliche Gremium, auf das Sie keinen Einfluß haben, „Vollversammlung“ heißt?

Die Bremer Bürgerschaft hat kürzlich das Kammergesetz an die Erfordernisse des modernen Datenschutzes angepaßt. Bei der Gelegenheit einige Grundsätze demokratischen Anstandes einzufügen, ist so undenkbar, daß niemand sich getraut hat, daran auch nur leise zu denken. Klaus Wolschner

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