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Sudanforschung: Vertisole oder Menschenrechte?

■ Sudan-Tagung an der Universität Bremen im Schatten des Bürgerkriegs / Wissenschaft und die Nähe zur Diktatur

Zum drittenmal seit 1981 trafen sich die Sudan-ExpertInnen verschiedener Fachrichtungen aus dem In- und Ausland in Bremen — diesmal waren es stolze 120. „Die wichtigsten Sudan- Forscher waren alle da“, freut sich Organisator Karl Wohlmuth, Professor am Bremer Institut für Weltwirtschaft und Internationales Management. Eingeladen war natürlich auch die sudanesische Botschaft — ohne gute und offizielle Kontakte zu dem diktatorischen Regime ist in dem Land wissenschaftliche Arbeit nicht möglich.

Wie geht eine Tagung an der Bremer Uni um mit einem Land, das seit dem Putsch von 1989 von der fundamentalistischen „National Islamic Front“ unter Omar Hassan El-Beshir, de facto der Muslim-Brüderschaft, beherrscht wird? Zu Fragen wie „Desertifikationsforschung“, „Mikroelementstatus der Vertisole“ und „kartografische Anwendung von Fernerkundungsdaten“ waren Vorträge geplant, aber auch —etwas verschämt— zu: „Menschenrechte und Demokratie. Der Sudan auf der Suche nach einer angemessenen Verfassung“. Die Veranstaltungsregie wollte die ideologischen Fronten der sudanesischen Misere nicht ins Zentrum der Tagung im BITZ rücken.

Ganz vermeiden ließ es sich allerdings nicht. Der „Südsudan ist übersät von Skeletten, von sterbenden Körpern und Seelen. Kinder, Frauen und Alte sind die Opfer eines Krieges, dessen Ziel es ist, die gesamte Region von seiner eingeborenen Bevölkerung zu säubern.“ So steht es in einem Brief, den BewohnerInnen der südsudanesischen Stadt Juba an den UN-Menschenrechtsbeauftragten geschrieben haben. Seit zehn Jahren wütet im Süden des Sudan ein Bürgerkrieg, der bisher über eine Million Tote und mehreren Millionen Menschen Vertreibung, Flucht und bitteres Elend gebracht hat. Nach Ansicht von Afrika-in-Not-Geschäftsführer Michael Burkhardt findet in Südsudan ein Massensterben somalischen Ausmaßes statt. Es drohe die „Auslöschung der schwarzen Bevölkerung“ durch die Armee der arabisch-islamischen Mehrheit im Norden.

Nachdenkliche Worte fand vor allem der Hamburger Politologe Rainer Tetzlaff. Der Sudan — 1990 offiziell zum „islamischen Staat“ erklärt, produziere „statt Weizen und Baumwolle nun Fundamentalismus“, meinte Tetzlaff sarkastisch. Das sei besonders bitter, weil das Land einmal als Pionier für demokratische Entwicklung in Afrika gegolten habe. Eingesetzt habe der Niedergang schon 1983 unter Numeiri. Mit den berüchtigten „Septembergesetzen“ sei das islamische Strafrecht, die Scharia (Handabhacken für Diebstahl, Steinigen für angebliche Ehebrecherinnen), eingeführt worden. Dagegen wehrt sich im Süden die christliche oder Naturreligionen anhängende Minderheit. Die Rebellenbewegung Sudan People's Liberation Army (SPLA) unter John Garang bekam starken Zulauf. Seitdem stehen sich Truppen der SPLA und der Regierung in unversöhnlichem Gemetzel gegenüber. Massiv unterstützt werde Khartoum dabei vom Iran, der Geld für (chinesische!) Waffen schickt.

Der Afrikaner Peter Kok berichtet, internationale Proteste seien bislang nur auf taube Ohren bei Regierungschef El-Beshir gestoßen. „Aber langfristig kann es sich der Sudan nicht leisten, die Meinung des Auslands zu ignorieren“, sagt Kok voraus. Mehr Druck von außen sei nötig: Entwicklungshilfe müsse eingestellt werden, über ein Waffenembargo sei nachzudenken.

Wie stark der Bürgerkrieg den Alltag selbst in Nordsudan verändert, schilderte Fouad Ibrahim. Der aus Ägypten stammende Sozialgeograph hat wiederholt die illegalen Squatter- Siedlungen an der Peripherie der Fünf-Milionen-Kapitale Khartoum besucht. Dort leben in erbärmlichen Hütten aus Pappe, Jutesäcken und Blechkanistern Hunderttausende von Bürgerkriegs-Flüchtlingen. Schulen und Krankenhäuser gibt es nicht. Auch Lebensmittelkarten, mit denen die übrigen BewohnerInnen Khartoums verbilligt Brot, Tee oder Speiseöl einkaufen können, werden den Slumbewohnern verweigert, weil es die „wilden Siedlungen“ offiziell nicht gibt. Die Squatter müssen sich deshalb zu überhöhten Preisen versorgen. Die meisten BewohnerInnen der illegalen Siedlungen sind Frauen und Kinder. Männer kämpfen für die Regierung oder die SPLA. Oder sie sind schon tot. Eine regierungsamtliche Kleiderordnung zwingt seit 1992 die Frauen, sich „islamisch“ zu kleiden: Für den Kauf des iranischen Tschador gibt es öffentliche Darlehen. Die Frauen aus dem Süden schlagen sich als Dienerinnen in nordsudanesischen Haushalten durch, oder sie brauen Hirsebier oder brennen Dattelschnaps. Immer wieder unternimmt die Polizei Razzien, um illegale Destillerien aufzustöbern. Die Brennerinnen werden ausgepeitscht und wandern ins Gefängnis.

Die Gemeinde der Sudan-ExpertInnen regierte gespalten auf die politischen Forderungen von Tetzlaff und Kok nach Ächtung des Regimes. Einige Teilnehmer versuchten, um Verständnis für die Lage der Kahrtoumer Regierung zu werben. Ein Mitarbeiter der Botschaft diffamierte die Schilderungen Fouads als „Boulevard-Journalismus“ und „nonsense“. Die squatter seien freiwillig in Khartoum. „Wie können Menschen in der Hauptstadt des eigenen Landes Flüchtlinge sein?“ fragte eine Nordsudanese unter Beifall von einem Teil der Tagungsteilnehmer. „Alles unwichtige Diskussionen!„ ruft ein Mann der Bonner Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit verärgert dazwischen. Günter Beyer

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