■ Intervention? Ja, bitte!
: Mit Bosnien stirbt Europa

Mit Entsetzen verfolgen wir seit zwei Jahren, wie die serbisch- jugoslawische Armee auf den Gebieten der Nachfolgestaaten Jugoslawiens durch Vertreibung und Völkermord einen Eroberungskrieg mit dem Ziel „Großserbien“ führt, dessen erbarmungslose Grausamkeit und Vernichtungswillen an die Epoche des nationalsozialistischen und stalinistischen Terrors erinnert. Mit wachsender Besorgnis beobachten wir die Untätigkeit und Hilflosigkeit der Regierungen derjenigen Länder, die mit ihrem Sieg über den Nationalsozialismus und Faschismus die Werte gegründet haben, mit denen allein ein ziviles Europa und eine Völkergemeinschaft aufgebaut werden können.

Mit Bestürzung erkennen wir, wie in dem Vance/Owen-Plan für Bosnien-Herzegowina diese Werte keine Anerkennung finden, wie Eroberungen sanktioniert und den muslimischen Bosniern als Hauptleidtragenden der Aggression „Reservate“ zugeteilt werden, wie Völkermord, Massenvertreibung und Massenvergewaltigung stillschweigend akzeptiert werden, wie selbst die Verteilung internationaler Hilfsleistungen an die verhungernde und erfrierende Bevölkerung von der Zustimmung ihrer Belagerer und Mörder abhängig gemacht wird.

Angesichts der immer katastrophaleren Folgen dieser Politik einer Anpassung und Untätigkeit gegenüber einem Aggressor appellieren wir an die Regierungen Europas und der Völkergemeinschaft, auf den Boden der Werte zurückzukehren, die Völkermord und Eroberungskrieg aufs schärfste sanktionieren. Wir fordern Parteinahme für die Opfer und für die legitime bosnisch-herzegowinische Regierung, die von der Völkergemeinschaft anerkannt ist.

Beim Krieg in Bosnien-Herzegowina handelt es sich nicht um einen Bürgerkrieg, sondern um einen Eroberungskrieg und somit um einen internationalen Konflikt, auf den alle Bestimmungen der UNO-Charta Anwendung finden müssen. Bosnien-Herzegowina ist kein künstliches Gebilde. Vielmehr ist in dieser Region im Herzen Europas aus den großen Kulturen und Zivilisationen, die sich dort gekreuzt und vermischt haben, schon vor Jahrhunderten ein eigener Staat und eine eigene multinationale Gemeinschaft entstanden.

Dieses Bosnien-Herzegowina ist ein Teil unseres Europa.

Wir fordern daher:

–Sofortige Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien-Herzegowina zugunsten seiner Ausrüstung mit Defensivwaffen zur Selbstverteidigung;

–unverzügliche Durchsetzung des vom UNO-Sicherheitsrat beschlossenen militärischen Flugverbotes über Bosnien-Herzegowina;

–unterstützende militärische Maßnahmen gegen Nachschubwege, Waffendepots und Luftbasen der Aggressionsstreitkräfte;

–sofortige Erkämpfung des Zugangs zu allen Konzentrations- und Internierungslagern auf dem Territorium Bosnien-Herzegowinas durch internationale Streitkräfte;

–Sicherstellung der Versorgung der Zivilbevölkerung der eingeschlossenen Städte in Bosnien- Herzegowina aus der Luft;

–Modifizierung der UNO-Friedenspläne dahingehend, daß die über Jahrhunderte gewachsene territoriale und multinationale Einheit Bosnien-Herzegowinas garantiert und bewahrt wird; Garantie des Rechtes auf Rückkehr in die Heimatorte und der Sicherheit von Leben und Besitz für alle Vertriebenen;

–keine Anerkennung der durch Krieg, Mord und Vertreibung geschaffenen Fakten; keine Gewährung des Rechts auf Separation für die ethnisch „bereinigten“ Provinzen Bosnien-Herzegowinas und Kroatiens mit serbischer Bevölkerungsmehrheit;

–Schaffung einer internationalen Erfassungsstelle für Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Zusammenarbeit mit bestehenden Zentren in Sarajevo, Zenica und Zagreb zur Vorbereitung eines internationalen Tribunals;

–koordinierte Aufnahme von Flüchtlingen durch die Regierungen der Europäischen Gemeinschaft; Aufbau eines Flüchtlingssuchdienstes in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Einrichtungen in Bosnien-Herzegowina und Kroatien. [...]

Stefan Schwarz, MdB/CDU; Freimut Duve, MdB/SPD; Daniel Cohn-Bendit, Stadtrat für Multikulturelles in Frankfurt/M.; Eva Quistorp, MdEP, Straßburg, Grüne Fraktion; Jürgen Roth, Reinhard Weißhuhn, Mitarbeiter der BuTa-Fraktion Bündnis 90/Die Grünen; Tilman Zülch, Vorsitzender der Gesellschaft für bedrohte Völker, Göttingen; Dunja Melćić, Publizistin; Gerd Koenen, Historiker, Bosnien-Initiative im Palais Jalta, Frankfurt/M. u.a.m.