Paradiesvögel für die Reichen

Die 94. Internationale Frankfurter Messe „Ambiente“ setzt auf den verspielten Geschmack betuchter KundInnen  ■ Aus Frankfurt/Main Heide Platen

Da steht er nun in der nagelneu eröffneten Halle 10 zwischen all seinen luftigen Glasgebilden, changierenden Kugeln und zarten Kelchen, inmitten eines halben Dutzends anderer Stände – mit austauschbarem Sortiment. Und sagt doch tapfer zu dem gutbetuchten Einkäufer-Ehepaar: „Wir legen sehr viel Wert darauf, uns mit unserem Angebot von den anderen zu unterscheiden!“ Das dürfte schwer sein auf der „Ambiente“, der 94. Internationalen Frankfurter Messe für Konsumgüter vom Tafelsilber bis zur Klobürste.

„Ambiente“ versteht sich als „die europäische Leitmesse für Konsumgüter des gehobenen Bedarfs mit weltweiter Ausstrahlung“. Und der Bedarf ist, Rezession hin oder her, vorhanden und lediglich eine Frage der Verteilung – das zeigte sich schon in den ersten Messetagen. 100.000 FachbesucherInnen werden erwartet. Deshalb braucht sich der Glasproduzent trotz gestiegener Konkurrenz wohl keine allzu großen Sorgen zu machen.

Die Auftragsbücher füllen sich bei dichtgedrängtem Publikum langsam, aber stetig. Entscheidungskriterium des ordernden Einzelhandels ist dem Augenschein nach vor allem eines: noch teurer, noch luxuriöser, noch anspruchsvoller. Und das bieten die 4.728 Aussteller aus 68 Ländern auf 270.000 Quadratmetern Fläche überreichlich.

Die Großen der Porzellanbranche haben sich ihre Stände von Designern und Architekten entwerfen lassen. Das wirkte allerdings schon nach kurzem etwas derangiert: die drängelnde Menschenmenge hat die ebenso sorgfältigen wie ungenießbaren Arrangements aus Nudeln, Seegras, Sand, Kunstblumen und Konfekt auf den gedeckten Tischen durcheinandergebracht. Die Beleuchtung ist gedämpft, fast dunkel. WMF beschreibt den gewünschten Effekt als „dematerialisierende Wirkung“, die „gleichzeitig Emotionalität durch warme Farben vermitteln“ soll.

Der Rückzug ins Private, hatte ein Manager zur Eröffnung gesagt, sei – vermutete Folge der allgemeinen Zukunftsangst – nicht unbedingt ein Grund zum Verzweifeln für die Branche: „Die Menschen schmücken dafür wieder ihr Heim mehr aus.“ Teures Kristall und schweres, poliertes Messing suggerieren nicht nur über den Preis Wertbeständigkeit und Sicherheit auch noch im Badezimmer. Die Grenze zwischen Hausrat und Kunstgewerbe ist fließend. Kostspielige Imitate haben Konjunktur. Schlichtes, funktionales Design – eine Erholung für das geplagte Auge – steht fast nur bei Herstellern aus Skandinavien wohltuend konservativ im Programm. Sonst wimmelt es allüberall nur so von Rosendekors, Ranken, Wiesenblumen satt und Pardiesvögeln. Sonne, Mond und Sterne zieren alles und jedes.

Und die Messe riecht. Erstickende Fliederdüfte mischen sich mit den Dämpfen ätherischer Öle, dem morbiden Hauch trockener Rosenblätter und Räucherwerk. Ralf Jüngling ist zufrieden. Er vertritt die Interessen der größten Glashütte im thüringischen Lauscha. Es gehe, versichert er, auch dort endlich wieder aufwärts. Und er erläutert den wabernden Trend: „Duft ist in!“ Auch beim Christbaumschmuck, der am besten „dreidimensional“ sein solle: sich elektronisch bewegend, duftend, und musikalisch. Seine Firma setzt außerdem auf die „traditionell russischen Formen“. Und die sind auch sehr üppig.

Die leicht pessimistische Studie des Münchner Institutes für Wirtschaftsforschung (Ifo) macht der Branche mit Hinweis auf wohlhabende KundInnen dennoch Mut. Nach den Gewinnen von 1991 und, meist geringeren, Verlusten 1992 prognostizieren die ForscherInnen einen leichten Aufwärtstrend für „dekorierte“ und „höherwertige Produkte“ zum Jahresende. Dann gebe es auch neue Hoffnungen für den Export, vor allem nach Japan und in die USA.