Prima Klima in Bonn

Die Bundesregierung relativiert ihre Anti-Treibhaus-Politik/ Antwort auf große Anfrage der SPD/ Nur 10 Prozent weniger Kohlendioxid bis zum Jahr 2005?/ CSU bremst, wo sie kann  ■ Von Hans-Martin Tillack

Bonn (taz) – Die Bundesregierung rückt offensichtlich Stück für Stück von ihrem ehrgeizigen Ziel ab, die deutschen CO2-Emissionen bis zum Jahr 2005 um 25 bis 30 Prozent zu reduzieren. In einer gestern von der SPD veröffentlichten Antwort auf eine große Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion wird das Minderungsziel nicht ausdrücklich bekräftigt. Die Regierung verweist lediglich lapidar auf ihren Beschluß vom 11. Dezember 1991, die Minderung „anzustreben“.

Prognosen, daß die Reduktion scheitern werde, widerspricht die Regierungsantwort nicht. Daß die Emissionen bis zum Jahr 2005 lediglich um etwa 10 Prozent sinken würden, sei in der Tat das Ergebnis einer Studie des Prognos-Instituts für das Bundeswirtschaftsministerium, heißt es. Das Institut habe dabei bereits Maßnahmen berücksichtigt, die „in ihren Konturen für die Autoren erkennbar“ gewesen seien, etwa eine Verschärfung der Wärmeschutzverordnung und eine zusätzliche Energiesteuer.

Welche weiteren Schritte über diese bereits heftig umstrittenen Vorhaben hinaus die Bundesregierung ergreifen will, um ihr Ziel zu erreichen, verrät sie in der Antwort nicht. „Neben der Prüfung möglicher Alternativstrategien“, so heißt es lediglich, „wird auch das weitere Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft und Verbrauchern einen erheblichen Einfluß darauf haben, in welchem Maße bessere Reduktionsergebnisse erzielt werden können.“

Tatsächlich rückt die Bundesregierung in ihrer Antwort von einigen bereits beschlossenen Plänen ab. Hatte sie ursprünglich noch eine nationale CO2-Steuer angekündigt, will sie sich nun nicht einmal mehr auf einen Alleingang der EG festlegen. Bonn unterstütze die „Zielsetzung“ der EG-Kommission, mit anderen großen Industrieländern zu „einer abgestimmten Klimaschutzstrategie“ zu kommen, schreibt die Regierung in ihrer Antwort. Abweichend vom EG-Vorschlag sei es jedoch unter Umständen „sinnvoll“, den geplanten Höchststeuerbetrag „in wenigen, aber höheren Schritten zu erreichen“.

Einige weitere Maßnahmen verfolgt die Regierung offenbar ebenfalls nur noch eingeschränkt. So will Bonn Zeitpunkt und Inhalt einer Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes von geplanten EG-Richtlinien zum europäischen Strom- und Gasmarkt abhängig machen. Auch für erneuerbare Energien sind, entgegen früheren Beschlüssen, keine neuen Förderprogramme geplant. Eine Veränderung des ordnungspolitischen Rahmens für Fernwärme und für erneuerbare Energien sei „nicht notwendig“, heißt es in dem Papier der Regierung.

Auch die Forschungsmittel für erneuerbare Energieträger – 1992 waren es 391 Millionen Mark – seien „ausreichend“ vorhanden. Den von der SPD angestellten Vergleich mit den Milliardenansätzen für die Raumfahrt hält die Bundesregierung für „nicht sachgerecht“.

Den Rückwärtsgang legt sie auch in der Verkehrspolitik ein. Die von Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) mehrfach angekündigte emissionsabhängige Kfz- Steuer werde eventuell nur für Neufahrzeuge eingeführt, heißt es. Diese Frage werde „gegenwärtig geprüft“.

Keine konkreten Schritte plant die Regierung zur Beschränkung des Flugverkehrs. Der Aussage, das Flugzeug sei „das mit Abstand klimaschädlichste Verkehrsmittel“, mochte die Regierung nicht beipflichten. Ein „umfassendes Forschungsprogramm“ müsse erst Aufschluß darüber geben, welche Auswirkungen der Luftverkehr auf Ozonloch und Treibhauseffekt habe.

Die Bundesregierung sei auf dem Weg zu einer „gigantischen Blamage“, folgerte gestern die SPD-Klimaexpertin Monika Ganseforth. Ihr CO2-Minderungsziel habe die Regierung offenbar bereits „preisgegeben“. Dieser Interpretation wurde im Umweltministerium zwar widersprochen. Dem Druck der CSU sei es aber zuzuschreiben, daß die Regierung in der Frage der CO2-Steuer nicht mehr eindeutig für einen Alleingang der EG plädiere, wurde eingeräumt.

Einen Sieg über die CSU kündigte man gestern dafür im Bundesbauministerium an. Die Wärmeschutzverordnung, die für Neubauten einen geringeren Energieverbrauch festschreiben soll, werde wahrscheinlich in spätetens zwei Wochen vom Bundeskabinett verabschiedet. Die CSU hatte diese Verordnung bisher blockiert. Der Grund: Proteste der bayerischen Ziegelindustrie.