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■ Mümmelmannsberg: 91 Familien von saftigen Mieterhöhungen und Eigenbedarfsklagen bedroht / Heute Mieterversammlung

: 91 Familien von saftigen Mieterhöhungen

und Eigenbedarfsklagen bedroht / Heute Mieterversammlung

Erika Burgoon kocht vor Wut: „Vor fünf Jahren, als keiner in den Trabantenstädten wohnen wollte, hat man uns hierhergelockt — jetzt schmeißt man uns einfach wieder raus.“ Als sich die amtlichen Bauprüfer zur Besichtigung ihres Heimes anmeldeten, erfuhr die 39jährige Hausfrau, daß ihre Vierzimmer-Wohnung in Mümmelmannsberg in eine Eigentumswohnung umgewandelt werden soll. Damit schwappt die Umwandlungswoge nun erstmals in eine der Hochhaussiedlungen der 70er Jahre über. Betroffen sind 91 Wohnungen in dem sechsstöckigen Wohnblock Kandinskiallee 11-17.

Die Berliner Immobilienfirma Bendsko will die von der R+V Versicherung übernommenen Wohnungen einzeln weiterverkaufen, sobald die Abgeschlossenheitsbescheinigungen der Bauprüfer vorliegen und alle Wohneinheiten im Grundbuch eingetragen sind. Götz Damrath, Geschäftsführer der Hamburger Bendsko-Niederlassung: „Wir sehen keinen Grund, hier zögerlich zu verfahren.“ Zu „Vorzugspreisen“ wolle das Unternehmen die Wohnungen „selbstverständlich zuerst den Mietern zum Kauf anbieten“.

Auch wenn die genauen Konditionen des „Sonderangebotes“ noch nicht feststehen, ist sich Erika Burgoon schon heute sicher: „Von den jetzigen Bewohnern wird sich das keiner leisten können.“ 476 Mark Kaltmiete zahlen Erika Burgoon und ihr Lebensgefährte Hans- Heiner Christopf für ihre 90 Quadratmeter. Der 34jährige Fuhrunternehmer fürchtet: „In der jetzigen Wohnungssituation finden wir doch niemals was Vergleichbares. Außerdem wollen wir wegen unserer beiden Kinder auf keinen Fall von hier weg.“

Die Verunsicherung unter den betroffenen Mietern ist groß. Daß die Umwandlungswelle jetzt sogar die Mieter in Mümmelmannsberg bedroht, damit hat hier niemand gerechnet. „Viele von den Nachbarn glauben immer noch, daß keiner die Wohnungen kaufen wird“, sagt Christopf. Das jedoch, warnt Wolfdietrich Thürnagel vom Mieterbeirat des größten Vermieters in Mümmelmannsberg, der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft (GWG), könnte sich schnell als Trugschluß erweisen. „Die 20 Jahre alten Wohnungen sind gut in Schuß, und die Verkehrsanbindung zur City ist dank des U-Bahn-Ausbaus prima.“

Gegen drohende Eigenbedarfsklagen der Käufer und saftige Mieterhöhungen wollen die Bendsko- Mieter jetzt Widerstand organisieren und versuchen, den Verkauf zu verhindern. Die Betroffenen treffen sich heute ab 19 Uhr zur Mieterversammlung im evangelischen Gemeindezentrum am Havighorster Redder. Geladen sind auch Vertreter von „Mieter helfen Mietern“, vom Dachverband Hamburger Mie-

1terinitiativen und dem Mieterbeirat der GWG.

„Vielleicht wachen die Leute hier ja endlich mal auf“, hofft Hans-Heiner Christopf. Doch dafür wird wohl schon die Ankündigung der Bendsko sorgen, die Mieten auf

1jeden Fall auf das Niveau des Hamburger Mietenspiegels zu heben. Mieter wie Erika Burgoon müssen dann zwischen 3,50 und sieben Mark mehr pro Quadratmeter berappen — oder eben ausziehen. Jörg Christiansen

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