: Für Unzucht?
■ betr.: Karneval, taz vom 11.02.
„Dieses Jahr gehen wir fremd auf dem Bremer Karneval.“ Wieso bloß, und mit wem? Ist das eine offizielle Anstiftung zur Unzucht? Schließlich ist der Karneval doch dazu da, mal richtig auf die Kacke zu hauen. Nee. So können sie das nicht gemeint haben.
Aber der Gedanke bietet sich an. Wohin könnten wir denn sonst noch fremdgehen? Vielleicht mal gucken in anderen Ländern, was es da noch Schönes gibt, um unsere eigene langweilige Kultur noch etwas aufzumöbeln? Ein bißchen Rhythmus, Lebensfreude, „so richtig aus dem Bauch heraus“ (...), aber — das tun wir doch sowieso schon, warum es am Karneval an die große Glocke hängen?
Vielleicht eine Verknüpfung aus beidem: Wir gehen fremd in fremden Ländern? Sextourismus als Karnevalsmotto. Kann nicht sein!
Das Mix bietet die Auflösung des Rätsels an, aber die überrascht dann doch: Die fremde „Kultur hat unsere Herzen erobert. Das Fremde ist unsere Heimat geworden.“ Fein, noch eine Heimat für uns. Ob wohl für all die „Fremden“, die überall ihre Heimat zur Verfügung stellen, auch noch eine übrigbleibt?
Diese Heimat-Erklärung erscheint uns makaber. Am einleuchtendsten finden wir die Deutung: „Wir schlüpfen in eine fremde Rolle (...).“ Allerdings wohl mit dem Anspruch, uns so mit dem und den „Fremden“ auseinanderzusetzen.
Wir fragen uns: Wenn wir wild kostümiert und „entfremdet“ lautstark durch die Stadt ziehen, wird es dann den sogenannten Fremden gelingen, das als Akt der Sympathie und der Begegnung zu begreifen? Gibt es denn außer diesem zweifelhaften Motto irgend etwas auf diesem Karneval, das dem Anspruch „antirassistisch“ genügen soll?
Wenn nicht, wozu dann diese müden Solidaritätserklärungen? Und wenn doch, ist dieses Thema nicht zu brisant, um ihm mit einem flotten, etwas zwielichtig-anrüchigen Spruch die nötige Karnevalsleichtigkeit zu geben?
Warum drücken wir dem Karneval den Stempel einer Pseudo-Polit-Aktion auf und geben nicht einfach zu, daß wir doch alle nur mitmachen, weil es uns Spaß macht, und uns das als Legitimation reicht?
anonyma
(Einige Frauen der Frauen-Sambagruppe
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