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Der Volkstrauertag der Singles Von Andrea Böhm

Wann passiert das schon mal, daß eine renommierte Tageszeitung wie die Washington Post auf acht Seiten Liebesnotizen abdruckt. Wer das für verkappte Kontaktanzeigen hält, der irrt. Am „Valentine's Day“ geht es in den USA nicht um diejenigen, die eine/n Lebens(abschnitts)gefährtin/en suchen, sondern um die, die schon eine/n haben – und sich derer/dessen ziemlich sicher fühlen. So sicher, daß sie ein paar Dollar springen lassen für eine Huldigung an das Subjekt ihrer Begierde oder Zuneigung. Das haben am letzten Sonntag immerhin 2.000 Leser/innen der Washington Post getan, was ganz offensichtlich nicht nur diese, sondern auch ihre Liebhaber ans Blatt bindet.

Manche machten's billig und anonym: „5488, ich liebe Dich wahnsinnig. 5141.“ Andere versuchten offensichtlich, Beziehungskrisen zu lösen, waren aufgrund Geldmangels aber in ihrer Ausdrucksfreiheit gehemmt: „Babs, slo but fun 2 yrs. Lots of mem's. Will not 4 get U. Plz 4 give me. Be my V-tine.“ Absender: „2-nice.“ Soll heißen: „Babs, das waren zwei langsame, aber so schöne Jahre mit vielen Erinnerungen. Ich werde Dich nicht vergessen. Bitte vergib mir und sei mein Valentine.“ Gezeichnet: „Zu nett.“ Was Babs von diesem lyrischen Chiffre-Salat hält, werden wir leider nie erfahren, aber „2-nice“ hat sich im Rahmen seiner Möglickeiten durchaus Mühe gegeben.

Andere sind da schon konkreter: „Susanna, Du bist das Olivenöl meines Lebens. Ich liebe Dich mehr als Knoblauch. John.“ Oder: „Mein Sklavenhund, vielleicht können wir heute nacht die Handschellen benutzen, die Du mir zu Weihnachten geschenkt hast. Ich freue mich. PC.“ Happy Valentine, Ihr Süßen, und verschlampt den Schlüssel nicht.

„Valentine's Day“ – das ist der landesweite, säkulare US-Feiertag zur Huldigung der Zweierbeziehung. Aber die ist bekanntlich zu einer sehr brüchigen Einrichtung verkommen. Eine Ehe hält in den USA nur noch durchschnittlich sieben Jahre, und es gibt wenig Grund zu der Annahme, daß nichteheliche Lebensgemeinschaften stabiler sind. Kaum eine Gesellschaft hat das Single-Dasein stärker kultiviert als die amerikanische. Außenstehende mag das irritieren, denn gleichzeitig zeichnen sich AmerikanerInnen aller Altersgruppen durch eine panische Angst vor dem Alleinsein aus.

Was machen also die Singles am „Valentine's Day“, ihrem Volkstrauertag? Die Charakterstarken bleiben im Bett und lesen „Robinson Crusoe“, die Charakterschwachen gehen ins Sportstudio und hoffen auf ein Date auf dem Laufband. Die Charakterschwachen mit Hang zur Panik treten dem „Marry Me“-Club bei, zahlen 299 Dollar Aufnahmegebühr und nochmal 49 Dollar pro Abend, geben beim Eintritt ein Photo sowie Daten über Körpergröße, Alter und Einkommen ab – und hoffen auf die Intuition der Clubbesitzerin Janey Maxine, die Männlein und Weiblein mit Fingerspitzen- und Klassengefühl zusammenmischt. Wer es auf diese Weise bis zur Verlobung bringt, bekommt eine Club-Prämie in Höhe von 1.000 Dollar. Die gewinnt am leichtesten, wer sich den Wahlspruch im „Marry Me“ zu Herzen nimmt: „Wer weniger erwartet, bekommt am Ende mehr.“ Die spinnen, die Amis.

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