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Mea culpa-betr.: "Der Spion, der aus dem Nebel kam", Kommentar von Manfred Kriener zu Klaus Croissant, taz vom 11.2.93

Betr.: „Der Spion, der aus dem Nebel kam“, Kommentar von Manfred Kriener zu Klaus Croissant, taz vom 11.2.93

In seiner menschlich so anrührenden und staatstief gründelnden Logik hat mich Manfred Kriener überwältigt. Ich schäme mich. Mein ganzes Leben war verfehlt. Ich bin ein Gesinnungsschwein, ein totaler Versager. Mein Kopf steckt voll Schwafelmist, und sogar als Spion war ich eine Null.

Wie dankbar bin ich Kriener für seine Milde und Humanität. Ich hatte immer solche Angst, daß Biermann und seine Bündel kämen, um zu richten: „à la lanterne! à la lanterne!“ Manfred ekelt sich, weil ich die politische Lepra habe, aber er tastet wenigstens mein erbärmliches Leben nicht an.

Ach, warum habe ich mich nur so tief in Folter, Menschenquälerei, Gemeinheit und Haß verstrickt, daß ich jetzt endgültig aus der Gemeinschaft der Gerechten und Guten ausgestoßen bin und dastehe und wie der schlimmste nackte Teufel am schrecklichsten Kältepunkt der Welt...? Dirk Schneider (zerknirscht und zerkrienert), Berlin

Betr.: dito

Klaus Croissant hat mit Leidenschaft in genauem Sinn dieses Wortes für bessere Haftbedingungen der politischen Gefangenen seit 1970 gekämpft. Er hat – ohne Rücksicht auf sich selbst – jede Gelegenheit wahrgenommen, auf die skandalösen Rechtsbrüche vor und während der Prozesse gegen die RAF-Leute hinzuweisen. Kurz, er hat sich ganz eingesetzt. Eine heute äußerst seltene Erscheinung im politischen Leben. Vorbildlich im Engagement. Über die Inhalte und die eingesetzten Mittel in diesem Kampf kann und wird diskutiert werden. Die Tatsache seines totalen Einsatzes darf aber darüber nicht vergessen werden. Und der Schreiber meint, es gibt keinen Grund, für Klaus Croissant Partei zu ergreifen. Es gibt deren mehrere. Zum Beispiel auch den, daß er Gefangener ist. Das würde für sich schon reichen. Aber auch die Tatsache, daß es Leute gibt, die denselben Vorwürfen ausgesetzt sind und frei herumlaufen, ist ein Grund. [...] Christiane Ensslin, Hamburg

In der Tat ist es absurd, Klaus Croissant zu unterstellen, er hätte die linke Szene ausspioniert. Da war bei der AL, bei den Grünen, bei den Bürgerinitiativen alles öffentlich. Gerade weil das Bemühen da war, von den alten Parteien mit deren Geheimpolitik wegzukommen, wurde der neue Ansatz, öffentlich und transparent für jedermann/-frau zu sein, gestaltet. [...]

Wenn Croissant über meine pazifistischen Absichten DDR-Leuten etwas erzählt haben sollte, wäre ich ihm dankbar. Vielleicht hätten sich dann Militärs der DDR mit meinem Ansatz auseinandergesetzt! Auch wenn ich die Fahne der DDR, so wie sie repressiv und ohne ökonomisches Konzept war, nicht hochhalten werde, will ich mit Klaus weiterhin ein Bier zusammen trinken und ihm meine politische Meinung sagen. Aber dazu muß er von [...] von Stahl endlich losgelassen werden! Heinz Kappei, West-Berlin

Recht so, laßt Croissant in seinem antifaschistischen Schutzwall schmoren. Und moralisch hat sich Croissant eh erledigt, von wem will er noch ernst genommen werden?

Pikant bleibt: Deutsche Sicherheitsorgane, Verfassungsschutz (den gibt's ja noch) und Bundesanwaltschaft, stellen sich schützend vor das links-alternative Spektrum und klagen einen Amateuragenten wegen Spitzeltums an, für einen der BRD gänzlich wesensfremden Staatsapparat. Wenn Rudi Seiters, unser oberster Verfassungshüter, oder Edmund Stoiber, bayerischer „Verfassungsminister“ (Selbsteinschätzung), in ihren jährlichen Weihestunden vor den Gefahren linker Aktivitäten warnen, nach wie vor, berufen sie sich doch auch auf nachrichtendienstlich gewonnene Erkenntnisse. Niemand konnte bisher in Erfahrung bringen, daß ihre Spitzel, sicher auch Verfassungsamateure, sich auf eine Anklage der Bundesanwaltschaft freuen dürfen. Und deren „Erkenntnisse“ hatten ja oft verheerende Konsequenzen für die betroffenen kritischen Staatsbürger. Berufsverbote, Zusammenarbeit von Verfassungsschutz mit Werkschutzabteilungen deutscher Firmen sind kein Schnee von gestern. Eberhard Frost, Stuttgart

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