: Papiertiger und leere Versprechen
■ Rupert Neudeck, Vorsitzender von „Cap Anamur“: Hilfe in Kroatien scheitert an Bürokratie und Gleichgültigkeit
Bonn (taz) – Der Vorsitzende der Hilfsorganisation Cap Anamur, Rupert Neudeck, widersprach gestern Darstellungen der Presse, wonach Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth am 6.Februar in Kroatien ein Haus besuchte, das bereits vom Notärztekomitee für die Betreuung von vergewaltigten Frauen angemietet wurde. Für dieses Haus in Stubica, 40 Kilometer außerhalb von Zagreb, gebe es bis heute keinen Vertrag. Seit Dezember bemühte sich Cap Anamur, das Haus als Zentrum vor allem für mißhandelte Frauen zu mieten. Die Bundestagschefin wollte dort Cap Anamur einen Scheck über 185.000 Mark überreichen. Das Haus war von 40 verwundeten kroatischen Soldaten belegt, die Rita Süssmuth zunächst gar nicht hereinlassen wollten.
In einer gemeinsamen Erklärung bedauerten Süssmuth und Neudeck, daß die kroatische Regierung ihr Versprechen, das Haus zur Verfügung zu stellen, noch immer nicht eingelöst hat. Auf diese Zusage beziehe sich auch die in den Medien zitierte Bemerkung der Bundestagschefin, daß dies „ein Nachspiel“ hätte. Damit seien nicht Konsequenzen für Cap Anamur gemeint gewesen.
Als „Krieg der Papiertiger“ bezeichnete Neudeck die Bürokratie um die geplante Evakuierung von 300 Schwerstverletzten aus Kroatien nach Deutschland. Während deutsche Krankenhäuser bereits 60 Plätze zur kostenlosen Behandlung der Opfer angeboten hätten, stockten die Vorbereitungen und gerieten zu einer „Apotheose eines Kompetenzgerangels“ zwischen den verschiedenen Unterorganisationen der UNO.
Neudeck forderte die Bundesregierung auf, als einer der größten Geldgeber auch auf die Modalitäten von UN-Hilfsaktionen Einfluß zu nehmen.
Doch selbst die Organisation in der Bundesrepublik gestaltet sich für Cap Anamur schwierig. So bat Neudeck die Bundeswehr um Unterstützung, um mit einer Transportmaschine die ersten zwölf Schwerstkranken samt elf Begleitpersonen evakuieren zu können. Die „hilflose Antwort“, so Neudeck: Cap Anamur solle sich mit dem Flüchtlingskommissariat der UNO in Verbindung setzen, außerdem sei unklar, wo und ob überhaupt in der nächsten Zeit Flugzeuge landen könnten.
Bürokratie und Schwierigkeiten mit der kroatischen Regierung scheinen auch die Eröffnung zweier Häuser auf der Adria-Insel Pag verzögert zu haben. Cap Anamur hat dort Häuser mit 185 beziehungsweise 27 Plätzen angemietet. Sie sollen Anlaufstelle für kroatische und bosnische Vertriebene sein. Erst in der letzten Woche konnten die Renovierungsarbeiten beginnen. Myriam Schönecker
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