Klassenjustiz von Spartakisten vorgeführt

■ Strafverfahren gegen vier Spartakisten, die eine Hakenkreuz-Fahne verbrannten, eingestellt/ Prozeß von den trotzkistischen Sektierern als Propagandabühne genutzt

Moabit. Neben dem Kriminalgericht hatte sich gestern morgen ein kleines Grüpplein von Anhängern der trotzkistischen Sparkakist-Arbeiterpartei mit Plakaten postiert und skandierte im Nieselregen: „Hakenkreuz heißt Völkermord, zerstört die Fahne an jedem Ort.“ Außer ein paar Polizisten und Journalisten hörte jedoch kaum jemand zu. Der Grund für die Kundgebung: Vier Spartakisten, drei Männer und eine Frau, standen gestern vor Gericht, weil sie im vergangenen Juni am Pariser Platz an der Akademie der Künste eine Hakenkreuzfahne heruntergerissen und verbrannt hatten. Die Nazi-Fahne war Bestandteil einer Ausstellung deutscher Nationalfahnen. Nachdem die Akademie Strafantrag gestellt hatte, wurden die vier wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung eines Kunstgegenstandes angeklagt.

Die günstige Gelegenheit, sich öffentlich in Szene zu setzen, ließ sich die Sektiererpartei natürlich nicht entgehen. Im Vorfeld des Prozesses wurden die Zeitungsredaktionen mit Presseerklärungen überhäuft, in denen die neuesten Unterzeichner der Protesterklärungen gegen das Verfahren gegen die vier „aufrechten Antifaschisten“ wie Wasserstandsmeldungen durchgegeben wurden: darunter die Familie Klarsfeld, die jüdische Gemeinde Mailand, der Verband der europäischen Roma und Sinti und andere. Doch wer nach diesem ganzen öffentlichen Rummel einen spektakulären Prozeß erwartet hatte, wurde bitter enttäuscht: Die Klassenjustiz spielte nicht mit.

Für die vier Angeklagten im Alter zwischen 41 und 23 Jahren gab der Jüngste eine Erklärung ab. In kämpferischer Pose las Toralf E. sieben Seiten vom Blatt ab: Das Hakenkreuz stehe für die grausame Ermordung von sechs Millionen Juden, von Roma, Sinti, Homosexuellen und anderen Minderheiten, von Kommunisten und Antifaschisten. „Wir lassen es nicht zu, daß dieses blutgetränkte Banner irgendwo hängt. Wir haben es am 23. Juni abgerissen und verbrannt. Wir sind stolz darauf und werden es wieder tun“, redete sich Toralf E. in Fahrt. Stellvertretend für die Spartakisten forderte er die Zurücknahme der Entlassung des Ex-Rektors Fink, die Freilasssung von Croissant, Keßler, Stoph und Mielke und kam ein paar Seiten später endlich auf die Anklage zurück. Das Gericht, verkündete er mit Pathos, habe aufgrund der zahlreichen Unterstützungserklärungen „gelinde gesagt Herzklopfen“ bekommen, das Verfahren weiter durchzuziehen.

Und siehe da: Amtsrichter Papart stellte den Prozeß nach kurzer Rücksprache mit dem Staatsanwalt ein. Zur Begründung hieß es: wegen geringer Schuld und weil die Angeklagten nicht vorbestraft seien. Für die Spartakisten war klar: Das Gericht hatte sich dem öffentlichen Druck gebeugt. Der Amtsrichter bestritt dies gegenüber der taz vehement. Eine Antwort auf die Frage, warum er das Verfahren dann nicht schon viel früher eingestellt habe, zumal auch die Akademie der Künste ihren Strafantrag zurückgenommen hatte, blieb Papart jedoch schuldig. plu