piwik no script img

Teddy soll nicht geköpft werden

■ Gegen den geplanten Abriß des Thälmann-Monuments regt sich Widerstand/ Ehemaligen DDR-Bürgern werde vorgeschrieben, was sie schön zu finden hätten

Berlin. Jetzt hat sich die vom Senat eingesetzte Denkmalskommission so viel Mühe gegeben, ihre Empfehlung – den Thälmann Kopf abzuschlagen – zu begründen, und trotzdem gibt es Ärger. Am schnellsten waren „junge Leute einer Antifa-Gruppe“. Schon wenige Stunden nach der Abschlußsitzung der Kommission am Montag morgen banden sie um Thälmanns Hals ein Protesttransparent und kündigten weitere Aktionen an. Dieses Transparent hing nicht lange, denn Unbekannte rissen es wieder ab. Dieser „Widerstand“ war nur der Auftakt einer größeren Bewegung für den Erhalt des gigantischen Bronzeklotzes in der Greifswalder Straße am Prenzlauer Berg, betonte der PDS-Bezirksverordnete Klaus Lemnitz.

Eine ganze Reihe dieser Abrißgegner nutzten gestern eine Pressekonferenz des Aktiven Museums über politische Denkmäler, um ihrem Ärger Luft zu machen. Die Protestler waren keine Antifaschisten mit bunten Haaren und schnellen Schuhen, sondern grauhaarige Damen und Herren, die Grundsätzliches wohl formulierten. Es gehe nicht an, sagte die Wortführerin und ORB-Journalistin Vera Böhm, daß „die aus dem Westen über unsere Geschichte entscheiden“. Zwar habe sie bei der Errichtung des Thälmann- Denkmals 1986 schon gegen diese Monumentalpropaganda protestiert, aber ihr damaliger Widerstand hätte die gleichen Ursachen gehabt wie ihr Widerstand heute: „Die Anwohner wurden und werden heute schon wieder nicht gefragt.“ Mitte der achtziger Jahre, sagte sie, paukte Erich Honecker das Monument durch und ließ entgegen den Warnungen von Denkmalschützern aus optischen Gründen gar zwei alte Gasometer abreißen. Heute, meinte Vera Böhm, bestimmen „Experten“ – mit ganz anderen politischen Erfahrungen – „was wir im Osten schön zu finden haben und was nicht“. Sie „stülpen uns ihre Sicht über die Geschichte der DDR einfach über“. Und dies sei nicht hinzunehmen, denn „mehr denn je brauchen wir unsere eigene bürgernahe Diskussion“.

Ihre Position unterstützte Eberhard Elfert, Mitarbeiter des Aktiven Museums. Die Kommission habe sich bei ihrer Abrißempfehlung nur von städtebaulichen und künstlerischen Gesichtspunkten leiten lassen, die „historische Dimension“ aber „nicht berücksichtigt“. Die Wahl eines sowjetischen Künstlers für den Thälmann-Kopf und die Inschriften sollten suggerieren, daß die politischen Ideen des von den Nazis ermordeten KPD-Führers in der DDR verwirklicht seien. Das Denkmal sollte deshalb stehen bleiben, aber durch „Komplementärtafeln“, die die politische Vereinnahmung durch die DDR deutlich machen, ergänzt werden. Einig war man sich, daß diese Vorschläge sich wohl kaum durchsetzen werden. Denn in den nächsten Tagen wird vermutlich auch die Bezirksverordnetenversammlung Prenzlauer Berg die Demontierung beschließen. aku

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen