NOlympia stiehlt Diepgen die Schau

Berlins Regierender Bürgermeister kämpft mit einer Hochglanzbroschüre um die Spiele, Olympiagegner kontern mit der Zusendung eines Anti-Olympia-Videos an die Herren vom IOC  ■ Aus Berlin Dieter Rulff

Die alten Herren des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) leiden unter Dauerfeuer aus Berlin. Einerseits belästigt sie der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen immer neu: So präsentierte er gestern die offizielle Bewerbungsschrift für die Olympischen Spiele im Jahr 2000, 500 hochglänzende Seiten, mit denen die Stadtregierung hofft, im September vom IOC den Zuschlag zu erhalten. Andererseits wird sie ein Video überraschen, in dem Berlins Olympiagegner ihre Version vom Zuschlag vorstellen. Wenn ihr Unterfangen gelingt, werden die 94 IOC-Mitglieder demnächst daheim auf dem Bildschirm eine vermummte Gestalt mit zum Wurf erhobener Hand betrachten können, die ihnen zuruft: „We will wait for you.“ Und wenn den Olympiokraten auf Anhieb nicht klar sein sollte, wie diese Botschaft denn gemeint ist, wird spätestens Klarheit herrschen, wenn zum Abspann eine gelbe Mütze mit dem Olympia-Bärchen die Klospülung runterrauscht.

Eigentlich wollte Diepgen gestern nochmals den materiellen und ideellen Nutzen der Spiele für Berlin hervorheben, doch mußte er sich vor allem den Fragen nach der antiolympischen Konkurrenz in der Stadt stellen. Berlins olympische Gemeinde ist aufgeschreckt durch das Beispiel Amsterdams, dessen Bewerbung 1986 durch ein ähnlich drastisches Vorgehen der Olympiagegner vereitelt wurde. In Anbetracht dieser Erfahrung konnte Diepgens Versicherung, gegenbenenfalls werde sich der Staatsanwalt um die Protestler kümmern, nur begrenzt zur Beruhigung beitragen. Denn die Front der Gegner mutmaßt knapp die Hälfte der Berliner hinter sich, die, nach den letzten Umfragen, noch immer keine Olympiabegeisterung zeigen. Diepgen hofft das Zustimmungsbarometer bis zur Entscheidung des IOC im September auf 65 bis 70 Prozent steigern zu können.

Doch macht man sich selbst in der Regierungskoalition, noch hinter vorgehaltener Hand, schon prophylaktisch Gedanken über die Folgen eines möglichen Scheiterns Berlins. Immerhin hätte die Stadt dann allein 750 Millionen Mark für olympische Hallenbauten unwiederbringlich verplant, weitere 500 Millionen wären in einer riesigen Olympiahalle verpulvert, die der Senat zusammen mit einem privaten Investor hochziehen will. Noch vor wenigen Wochen waren Skeptiker beruhigt worden, daß die Halle das Land keinen Pfennig kosten werde. Sie tauchte folglich in der offiziellen Olympiabilanz genauso wenig auf wie die 750 Millionen Mark für die übrigen Hallen. Diese, so die spitzfindige Begründung des Senats, müßten sowieso gebaut werden, die Summe sei folglich nicht unter „olympiabedingte Kosten“ zu verbuchen. Mit dieser eigenen Art der Bilanzerstellung kamen die Berliner Olympiabewerber immerhin auf ein sattes Plus von 190 Millionen Mark. Die Rechnung überzeugte die Bundesregierung, sie gab nach langem Zögern die notwendige Garantieerklärung für die Austragung der Spiele ab. Allerdings hat sie sich das Zahlenwerk nicht genau angeschaut, sonst wäre sie vielleicht auch zu dem Urteil gekommen, das dieser Tage das Hamburger Landgericht in einem Presseverfahren über das Finanzkonzept sprach. Die Richter hielten die Klassifizierung bestimmter Sportstätteninvestitionen als „nicht olympiabedingt“ für schlicht falsch. Diese Darstellung in den Bilanzen sei „in hohem Maße geeignet, den Leser in die Irre zu führen“.