Ex und hopp unter die Erde

■ Trend zur anonymen Bestattung auf deutschen Friedhöfen / Umsatzeinbußen für Steinmetze, Friedhofsgärtner und Pastoren

auf deutschen Friedhöfen /

Umsatzeinbußen für Steinmetze, Friedhofsgärtner und Pastoren

Schneller, billiger und vor allem ohne kirchliches Geleit: Immer mehr Menschen werden anonym und ohne religiöse Zeremonien bestattet. „Kirchliches Geleit bei Trauerfeiern ist heutzutage für viele Menschen einfach nicht mehr wichtig, das zeigt auch die Zahl der Kirchenaustritte“, sagte Ocke Peters, Sprecher der Nordelbischen Kirche, am Donnerstag auf Anfrage.

Entsprechend schnellte die Zahl anonymer Erd- und Feuerbestattungen in den vergangenen Jahren in die Höhe: Während zum Beispiel in Hamburg 1975 gerade mal knapp 500 Menschen anonym vebrannt oder begraben wurden, waren es 1991 bereits mehr als zehnmal so viel — fast ein Viertel der über 20 000 Bestattungen in der Hansestadt pro Jahr. In Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt Kiel liegt ihre Zahl sogar bei einem Drittel und in der Fördestadt Flensburg ist die 45 Prozent-Marke bereits überschritten.

Seit Jahren erfreut sich die aus den skandinavischen Ländern stammende Bestattungsart kontinuierlich wachsender Beliebtheit. Sehr zum Mißvergnügen vieler Pastoren, die so oft um die Möglichkeit gebracht werden, den Verstorbenen Gottes Segen mit auf den Weg zu geben. Aber auch für Steinmetze und Friedhofsgärtner brachte dieser Trend schmerzliche Umsatzeinbußen mit sich. „Fast kein Friedhof leistet sich deshalb noch eigene Gärtner“, meint der Leiter des Hamburger Friedhofs Ohlsdorf, Peter Eggers.

Er erklärt die vielen anonymen Bestattungen mit dem Hinweis auf immer mehr alleinstehende junge und alte Menschen, die außerhalb von Familien und Freunden sterben: „Alles, was mit Tod und Sterben zu tun hat, wird verdrängt.“ So gibt es seit einigen Jahren auch keinen Friedhofspastor mehr in Ohlsdorf — wird ein kirchliches Begräbnis gewünscht, kommen die für den Verstorbenen zuständigen Gemeindepastoren aus der Umgebung.

Hinzu kommt der finanzielle Aspekt: Die anonyme Bestattung ist unter vielen teuren Alternativen immer noch die billigste Möglichkeit, unter die Erde zu kommen. Auch die Sozialämter, die seit Jahren einen Anstieg der „Armenbegräbnisse“ verzeichnen, wählen daher das anonyme Grab für Menschen, die ohne Vermögen und Angehörige sterben.

Doch selbst das kostet noch rund 3000 Mark. „Wenn es irgendwelche Freunde oder Familienmitglieder gibt, fragen wir natürlich nach besonderen Wünschen für die Beerdigung. Aber wenn niemand da ist — wir können uns nicht auch noch um eine kirchliche Zeremonie kümmern“, sagt eine Mitarbeiterin vom Sozialamt Hamburg-Nord.

Die Religionszugehörigkeit allein ist jedenfalls kein Garant für eine kirchliche Trauerfeier. „Menschen verschwinden einfach ohne Begleitung, ohne Namen, ohne Erinnerung“, so die Erfahrungen des Lübecker Probsts Niels Hasselmann. Manchmal aber sind Angehörige im nachhinein von Schuldgefühlen geplagt und suchen auf den Friedhöfen die Begräbnisstelle der Dahingeschiedenen.

„Viele stellen dann bei uns einen Antrag auf Exhumierung, um ihre Lieben doch noch ,anständig‘ zu begraben“, weiß Friedhofsleiter Eggers. „Aber die Totenruhe hat absoluten Vorrang. Eine anonyme Bestattung ist nicht mehr rückgängig zu machen.“ dpa