: Mit 'nem feuchten Handtuch
■ Die meisten Fahrradschlösser sind leicht zu knacken
Berlin. Als der 27jährige Medizinstudent Michael vor drei Wochen von der Uni zum U-Bahnhof Osloer Straße zurückkehrte, war sein geliebtes Fahrrad noch da, wo er es abgestellt hatte. Sein Zahlenschloß allerdings fehlte — ein freundlicher Wink des Diebs, sich ein besseres Schloß zuzulegen.
Die Preise sind allerdings oft abschreckend: Motorradketten — die einzige Gattung von Zweiradsicherungen, in der zwei Exemplare ein „Sehr gut“ der Stiftung Warentest bekamen — sind mit bis zu 200 Mark extrem teuer und wiegen fast ein Drittel soviel wie die meisten Fahrräder. Stahlbügelschlösser bekannter Marken kosten zwischen 90 und 120 Mark. „Billigere Bügelschlösser müssen aber nicht unbedingt einen schlechteren Schutz bieten“, betont Ludwig Enßlin, Geschäftsführer eines Schöneberger Fahrradladens. „Sie sind nur weniger bequem zu bedienen, weil sie schmaler sind oder das Schloß wackelt.“
Trotzdem verkaufen sich dünne Fahrradketten und Kabelschlösser aus Stahldrähten, die leichtgewichtig und schon ab zwanzig Mark zu haben sind, immer noch am besten. „Es gibt genug Schrott auf dem Markt, den der Täter mit einem feuchten Handtuch aufkriegt“, meint Winfried Roll, Leiter der Kriminalpolizeilichen Beratungsstelle. Auf dem Boden aufliegende Fahrradketten sind mit einem Hammerschlag zerschmettert, Kabelschlösser werden mit dem Bolzenschneider aufgezwickt. „Wir können nur Stahlbügelschlösser empfehlen“, sagt Roll. Zwar könnten auch sie durch einen Kälteschock zerstört werden. Doch sei dazu soviel Vereisungsmittel nötig, daß sich der Diebstahl nicht lohne.
Die Investition in ein gutes Schloß lohnt sich dagegen mit Sicherheit, denn die Zahl der Fahrraddiebstähle in Berlin ist 1992 im Vergleich zum Vorjahr, in dem die Rekordzahl von 30.253 gestohlenen Rädern gemeldet wurde, noch einmal um fünf Prozent angestiegen. Durchschnittlich verschwindet ein Rad pro Viertelstunde – in der Regel für immer. Die Aufklärungsrate liegt bei etwa 4,5 Prozent. „Wir wußten noch nie, wo die vielen Fahrräder bleiben“, gibt Winfried Roll zu. Für ihn ist es schon ein Fortschritt, daß im letzten Jahr sechzig Prozent der als gestohlen gemeldeten Räder „fahndungstüchtig beschrieben“ wurden, die Bestohlenen also die Rahmennummer nennen konnten.
Die Kommission für vorbeugende Kriminalitätsbekämpfung der Polizei hat jetzt neue „Prüf- und Gütebestimmungen“ für Fahrradschlösser entwickelt. Roll empfiehlt, beim Kauf eines Schlosses darauf zu achten, daß es nach diesen Bestimmungen gekennzeichnet ist. Produkte, die die Normen für die ersten beiden Sicherheitsstufen erfüllen, machen es wahrscheinlich, daß Mensch und Fahrrad ein Weilchen beieinander bleiben. Miriam Hoffmeyer
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