: Babylonisches Vollprogramm
■ Grüne Pläne für ein multikulturelles Radio, das ab Sommer senden könnte/ Kooperation von SFB und Privaten?
Schöneberg. Menschen unterschiedlichster Kulturen prägen das Bild Berlins – das Bild der Medien prägen sie kaum. Daher braucht die Stadt ein multikulturelles Radio, meinen Bündnis 90 und Alternative Liste (AL). Sie stellten gestern ein Konzept vor, mit dem AusländerInnen für Landsleute und Deutsche vielleicht schon ab Sommer ein informatives, kulturelles und unterhaltendes Vollprogramm machen könnten.
Notwendig ist das Angebot nach Ansicht der Parteien vor allem, seit der SFB sein muttersprachliches Programm auf die Mittelwelle und Radio energy die Sendungen komplett verbannt hat. Das multikulturelle Radio soll Informationen aus den Herkunftsländern bringen und über Aktivitäten der Minderheiten in Berlin berichten. Andererseits ist auch die deutsche Bevölkerung eine Zielgruppe, bei der man Interesse für fremde Kulturen wecken will.
Obwohl dieses Konzept eigentlich exakt dem Grundversorgungs- Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender entspreche, wollen die Alternativen und ihre SFB- Rundfunkrätin Alice Ströver das Programm nicht allein dem SFB überlassen. Denn innovative Konzepte und deren Umsetzung trauen sie dieser Institution kaum zu. Statt dessen konstruierten sie eine Mischung, die Ströver ein „babylonisches Radio auf zwei Säulen“ nennt: ein Rahmenprogramm unter öffentlich-rechtlicher Verantwortung mit Fenstern für private Veranstalter. Der SFB könnte seine Infrastruktur einbringen und das Gesamtprogramm koordinieren, die privaten Initiativen ihre Sendungen eigenverantwortlich produzieren.
Kern der Redaktion soll der Verein Multimedia sein, dessen türkische, polnische, arabische und kurdische MitarbeiterInnen bereits bei Radio 100 und dann bei Radio energy Programm gemacht hatten. Mit einem neuen Offenen Kanal soll das nichts zu tun haben. Ein Vollprogramm stellen sich AL und Bündnis 90 vor, mit fester Struktur und professioneller Gestaltung.
Dieses Konzept müßte nach Ansicht der Initiatoren den SFB und die Medienanstalt Berlin- Brandenburg (MABB) auch juristisch und finanziell überzeugen. Durch einen Trägerverein, in dem die privaten Radiomacher Mitglieder sind, soll eine GmbH gegründet werden, die neben dem SFB Lizenzträger des Programms wird. Über Lizenzen und Finanzen könnte man das Konzept auch dem SFB schmackhaft machen, glaubt Alice Ströver. Der Sender sei zwar bislang nur bereit, ein fremdsprachiges Programm ohne Mehrkosten aus den Mittelwellenprogrammen, dem BBC-Worldservice und anderen ARD-Sendungen zusammenzubasteln. Bei der anstehenden Vergabe der Frequenzen Anfang März und im Sommer könnte der Medienrat einen Zuschlag für den SFB jedoch von einem Konzept wie dem jetzt vorgelegten abhängig machen. Außerdem hat die Medienanstalt nach Strövers Worten angedeutet, daß sie Überschüsse aus den Rundfunkgebühren, die sie seit einigen Jahren zurückhält, an den SFB zurücküberweisen könnte – wenn der sie für ein Programm „für die ausländische Bevölkerung in Berlin“ verwendet.
Vor allem aus diesem Etat könnten die Kosten des Programms gedeckt werden, glauben die Medienexperten von Bündnis90 und AL, die mit Ausgaben von rund zwei Millionen Mark pro Jahr allein für den privaten Programmteil rechnen. Stefan Niggemeier
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