Durchs Dröhnland: Soviel Afrika, daß niemand sich bedroht fühlen muß
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Es gab mal eine Band, die hieß News Of The Weak (was haben wir gelacht) und liebte King Crimson über alles. Da sich dies alles in Offenbach zutrug, war das auch kein Wunder. Nach den üblichen Umstrukturierungen nannte man sich Smiles In Boxes und entwickelte sich hübsch langsam, aber unaufhaltsam zu einer der besten Bands dieser unserer Republik. Glamrock und Dancefloor lagen auf ihrem Weg, aber angekommen sind sie bei einer Art Kindergarten-Psychedelia (wenn die schon legendären und leider früh verblichenen Happy Flowers Kinderhort waren). Manchmal ist es auch Waberrock, aber nicht wie man ihn post-Nirvana versteht. Eher ein Schweben und Warten wie Neil Young in Topform – ohne dessen Hang zum Pathos; oder Hendrix ohne Gitarrenwichserei oder auch Velvet Underground mit viel mehr warmem Gefühl. Smiles in Boxes beherrschen so ziemlich alles, was die Sechziger so schön machte, selbst schmalztriefende Hippie-Balladen, hören sich aber trotzdem so zeitgemäß an, wie es nur sein kann, wenn man sich noch Instrumente um den Hals hängt. Zudem verschränken sie die doch eigentlich divergierenden Elemente so gekonnt miteinander, daß nie ein Gefühl postmoderner Beliebigkeit aufkommen mag. Neo-Psychedelia ohne Paisley-Hemden.
Mit den Slavin Dukes am 20.2. um 22 Uhr auf der Insel, Alt- Treptow 6, Treptow
So gehen Legenden: Eddie C. Campell war neun Jahre alt, als ihm die Mutter seine erste Gitarre kaufte. Wahrscheinlich mußte sie ihr letztes Hemd dafür versetzen, aber so detailliert ist die Legende nicht. Auf jeden Fall nahm Mammi ihren Sprößling drei Jahre später mit in einen Club in Chicago, wo Eddie keinen geringeren als Muddy Waters kennenlernte. Der große alte Mann des Urban Blues brachte ihm höchstpersönlich das Spielen bei. Später dann arbeitete er mit Luther Allison und Willie Dixon. Kein Wunder, daß er sich bei so großen Schatten mit dem Heraustreten immer noch schwer tut. Inzwischen auch nicht mehr der Jüngste, spielt er einen liebevoll antiquierten Blues. Aber seine dezent schunkelnden Rhythmen, die überlagert werden von margarineweichen Gitarrenlinien und herzhaften Bläsern, haben immer noch mehr Soul als, sagen wir mal, der aktuelle Eric Clapton (was aber auch keine Kunst ist). Weit genug weg von den Zuckerrohrfeldern – und inzwischen auch von Chicago – garantiert ein Mr. Campell aber immer noch einen stimmungsvollen Abend im Zeichen des Zwölftakters.
Am 20.2. um 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg
Der NDR beschrieb sie mit großer Formulierungskunst als „Die Schwarze aus Hamburg mit der großen Stimme“ – womit für den Sender der Gegenstand seiner Fernsehdokumentation wahrscheinlich schon treffendst charakterisiert war. Der Spiegel äußerte sich ähnlich geistvoll: „Ihre Stimme ist so gewaltig wie ihr Körperumfang.“ Nicht, daß das Gegenteil richtig wäre, aber es deutet an, wohin die Musik von Audrey Motaung & Grace zielt: auf den Konsens. Schön schwarz, aber halt auch nicht zu sehr; mit gerade genügend Soul, daß sich der TV-Gucker nicht naß macht; und nur soviel Afrika, daß niemand sich bedroht fühlen muß. Audrey Montaung liefert das ab, was das deutsche Feuilleton von einer dicken Frau aus Südafrika erwartet: eine gewaltige Stimme, Soul, Jazz, Funk, eine Spur afrikanische Trommelei. Das Ganze im wahrsten Sinne des Wortes eingebettet in übelst Lenor-versiegelte Mainstream-Daunen, in denen die schwarzen Einsprengsel verloren und überflüssig wirken. Das kommt ungefähr so geschmackssicher wie ein Heckspoiler auf einem Wartburg. Ab und an hebt Frau Montaung sogar zu opernhaften Trillern und Kieksern an. Schätzungsweise würde das dem Zeit-Magazin gefallen, ganz sicher aber Herrn Kester Schlenz, der für die Brigitte rezensiert. Ich sehe die Überschrift schon vor mir: „Afro-Rock vom Feinsten“. Und dann den Text: „Mit schmachtender Stimme singt xy ihre melodiösen Rock-Titel mit soviel Gefühl und Verve, daß es mich kaum noch auf dem Hocker hielt. Dabei vergißt xy nicht ihre afrikanische Herkunft“, usw.
Am 21.2. um 22 Uhr im Franz
Zuerst die Vorspeise. Vor nicht einmal vier Monaten schrieb ich noch, Weilheim sei kein Ort für Gewinner, weil die dort beheimateten Notwist zwar schon vor Dinosaur Jr. das immens überdrehte und immens zähe Gitarrengeflimmer wiederentdeckt hatten, aber sich eben am falschen Platz befanden, um daraus solches Kapital wie Mascis und seine Mannen zu schlagen. Das stimmt inzwischen so nicht mehr, denn zumindest in der BRD werden die immer noch in der dörflichen Tanz- und Dixie-Band engagierten Gebrüder Markus und Micha Acher und Schlagzeuger Martin Messerschmid als die „mindestens beste Band der Welt“ (Skug) gehandelt. Jetzt, wo Mascis, seinem Naturell entsprechend, immer mehr abschlafft, produzieren Notwist am überzeugendsten den ins Stahlbad getauchten, überquellenden Folkcore, der im selben Moment hart und weich, wütend und depremiert, kreischend und besänftigend klingen kann. Beste Musik zum Einschlafen und zum Aufstehen, zum Verlieben und zum Trennen.
Dann das Hauptgericht. Therapy? aus Irland bringen im Bandnamen ein Problem auf den Punkt, das allzu viele Bands mit sich herumtragen. Die Therapie, die fast jeder Musikant mit Hilfe des eigenen Schaffens betreibt, dient allzu oft keineswegs zur Therapie des Publikums, vor allem, wenn es nicht einfach nur ruhiggestellt werden soll. Die aktuelle Platte heißt denn auch schlicht und treffend „Nurse“. Zwar kann man Therapy? schon jetzt prophezeien, daß sie es finanziell nicht so weit wie U2, Sinead O'Connor oder die Undertones bringen werden, aber in ihrer gnadenlos konsequenten Intensität erinnern sie stark an die Anfangsjahre ihrer Landsleute. Wo Hardcore gemeinhin aufhört, fangen sie erst an. Dabei spielen sie, genau betrachtet, nicht mehr als halbwegs modernisierten Punkrock, der aber durch reichlich Brechungen, zart dümpelnde Stellen und eine als Sensation eingesetzte Monotonie nie langweilig wird. Ihr großer Pluspunkt ist die Stilsicherheit, mit der sie das Märchen vom jung-wütenden Rebellen noch ein letztes Mal wachküssen.
Am 23.2. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg
Thomas Winkler
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