: Narren-Spektakel ohne Tradition
■ Beim LaLiBe in Bergedorf sind Kostüme das Wichtigste / Schlüpfrige Drinks bringen Publikum in Stimmung
sind Kostüme das Wichtigste / Schlüpfrige Drinks bringen Publikum in Stimmung
Als Dieter zusammen mit vier Freunden sein Kostüm erdachte, hatte er schon damit gerechnet, aufzufallen. Doch daß der Bodybuilder aus Wandsbek einer der Hauptattraktionen des Abends die Show stehlen würde, daran hat nicht einmal im Traum gedacht. Sein spärlich mit Bananen behängtes Adamskostüm zog mehr Augen auf sich als der in einem seperaten Raum der Fachhochschule Bergedorf veranstaltete Männerstrip (for woman only).
Überhaupt, wenn sich die kühlen HamburgerInnen schon mal zum närrischen Treiben hinreißen lassen, wie am Samstag beim LiLaBe, Norddeutschlands größter Faschingsparty, stehen die Kostüme im Vordergrund. Kein rheinisches Alaaf erscholl durch die verschachtelten Räume der Fachhochschule, kein pfälzisches Helau kam den BewohnerInnen Hammonias über die Lippen. Verbindene Momente, die sich in den süddeutschen Karnevalhochburgen im kollektiven Schunkeln und Schenkelklopfen manifestieren, kamen nur bei gruppendynamischen Spielchen wie etwa einer Polonäse auf. In die Bütt gingen einzig und allein Entertainer aus den Niederungen des hanseatischen Show-Buisiness. Ein alternder Disc- Jockey namens Crazy Kuno versuchte sein Glück, dem Kostümfest Frohsinn einzuimpfen. Vergebens. Stimulatien, mit den bezeichnenden Namen Schlüpferstürmer (Schlehe mit Rum) sowie anderes Geistreiches aus dem reichhaltigen Sortiment der Spirituosenindustrie waren von Nöten, um die Bewohner der Tiefebene zu enthemmen. Musiker, die Bands wie Abba und ZZ- Top coverten, besorgen die musikalische Untermalung der Abende.
Was treibt Hamburgs Jugend (kaum einer war älter als 30 Jahre) zu dieser Veranstaltung? „Sonst gibt es leider kein Fasching in Hamburg“, äußerte sich Manuela aus Wandsbek zu ihren Motiven, gestand aber ein, daß sie den Bergedorfer Fasching teilweise doch ganz nett fände. Mit Fasching im süddeutschen Sinne oder mit der Poesie des Karnevals von Venedig hatte das Treiben indes wenig zu tun.
Dafür mangelt es den norddeutschen NärrInnen auch an der Tradition. Schließlich gilt es in der Hansestadt nicht Dämonen zu vertreiben, wie bei der Fastnacht im Süddeutschen oder aber durch Funkenmarie und Ordensverleihungen das Preußentum zu verballhornen, wie in den vormals mußpreussischen Gebieten um den Rhein.
Das Hauptaugenmerk lag also einem Kinderfasching gleich bei der Kostümierung. Motive aus Film und Fernsehen (Spiderman, Batman, King Kong) wurden ebenso häufig in Beschlag genommen wie Dienstkleidung von Berufsgruppen (Ärzte, Krankenschwestern etc.). Nackte Haut wurde bei der Verkleidung mehr gezeigt als Phantasie. Rückschlüsse auf die Soziostruktur der Veranstaltung blieben unvermeid-
1lich. Nicht Bergedorfer Fachhochschüler dominierten das Bild, die waren geflohen, nein eher die Klientel von Diskotheken und Kneipen wie Posemuckel und Pubarsch bevölkerten den Bau.
Eine Veranstaltung mit dem nötigen Trash-Appeal also, überflüssig aber doch mit einem gewissen Charme. Wem's gefällt.
kader
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