: Mitleid gehabt
■ Pferde: Über die Unsitten einzelner Reiter und die Frage nach Weltbestleistungen
Über die Unsitten einzelner Reiter und die Frage nach Weltbestleistungen
Die Hoteliers in Neumünster und Umgebung konnten gestern aufatmen: Alle Hotelbars standen noch. Der britische Nationenpreisreiter Michael Whithaker war seinem Ruf nicht gerecht geworden, er hatte diesmal darauf verzichtet, die eine oder die andere Gaststätte auseinanderzunehmen. Genau für diese Unsitte ist der Bauer aus Sheffield in der Reiterwelt bekannt. Wenn es zur Sache geht, dann ist aber meistens Bruder John, zweifacher Weltcup-Gewinner nicht weit. Das Fröhliche Naturell der beiden Briten schlägt zumeist nur durch, wenn beide zusammen an den Start gehen. Da die Veranstalter der Neumünsteraner Turniertage aber nicht bereit waren, ihm ein entsprechendes Startgeld zu zahlen, war John gar nicht erst angereist.
Aber auch der Rest konnte sich sehen lassen - in der Holstenhalle hatte sich die Weltelite versammelt, allein im abschließenden Großen Preis starteten 32 Reiter der Top 50 der Welt. Am besten steuerte Franke Sloothaak sein Tier über die Hindernisse. 25000 Mark kassierte der ehemalige Vorzeigereiter aus dem Stall Schockemöhle für den Erfolg mit der erst achtjährigen Stute Dorina. Der Erfolg war auch für das fachkundige Publikum in der Holstenhalle, zumeist Bauern aus allen Teilen des Landes, eine Überraschung. Sloothaak hatte sich vor rund drei Monaten von seinem Mentor, dem Barrmeister aus Mühlen, verabschiedet, und war zu Vinzenzo Muccioli gewechselt. Der Italiener ist bekannt als „der gute Mann von San Patringano“. In Florenz und anderen italienischen Metropolen unterhält er Rehabilitationszentren für Drogensüchtige, setzt dabei auch voll auf Tiere als Rehabilitationshilfe. Sloothaak machte er dann den Vorschlag, für die gute Idee zu werben, der gebürtige Niederläünder wird dafür mit einigen Millionen Mark entlohnt. Das Geld kann er aber nicht vollständig einstreichen, sondern muß auch Nachwuchspferde aus eigener Zucht nach Italien liefern. Neumünster ist der erste Große Preis, den er mit Dorina gewinnt, soll aber nicht der letzte bleiben: Dem Nachwuchs wird eine große Zukunft vorausgesagt.
Bei den Langweilern im Frack gab es ebenfalls eine Überraschung: Monica Theodorescu aus Sassenberg schaffte mit Ganimedes in der Hauptprüfung mit der Note 81,01 eine neue Weltbwestleistung. Viel interessanter als die Nummer von Pferd und Reiterin war anschließend der Journalistenstreit über die Frage, ob es sich dabei denn nun um eine Weltbestleistung oder einen Weltrekord handelt. ank
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen