: Nim Chimsky antwortet nicht
■ "Manufacturing Consent" - Ein Portrait Noam Chomskys von Mark Achbar und Peter Wintonick im Forum
Über die schleichende Müdigkeit zur Festivalmitte trösteten wir uns gegenseitig auf den Fluren: Halt durch, Freitag gibts was fürn Kopp, da kommt der lang erwartete und gehypte kanadische Forumsbeitrag „Manufacturing Consent“ (Die Konsensfabrik), ein Porträt des amerikanischen Querdenkers Noam Chomsky. Neben „Wittgenstein“ der zweite „Ideenfilm“ der Berlinale. Sicher würde es interessant sein zu sehen, wie man filmisch Medienkritik darstellen kann, wie man über die von Chomsky postulierte Desinformation filmisch informiert. Höchst spannend wäre es auch gewesen, Chomskys Ideen mit denen des anderen Mediengurus der 60er Jahre, mit den kalt-heiß Theorien Marshall McLuhans zu konfrontieren, oder gar mit den French Boys, mit Baudrillard, Lyotard und Co KG. – Das hebt zunächst auch ganz lustig an: Der Filmemacher Mark Achbar überklebt ein Alice Cooper Plakat mit einer Veranstaltungsankündigung seines Meisters und fragt einige Collegekids, ob sie wüßten, wer das sei? “Nope“ schallt es fröhlich — aber denen wird das Lachen schnell vergehen.
Was dann nämlich folgt, in den Endlosschleifen einer Litanei, ist etwa so, als habe Sancho Pansa eine Kamera in die Hand bekommen. Früh wird Chomsky, in den Sechzigern gestreng und scharf, in den Achzigern mit Turnschuhen und weisem Lächeln als der Don Quichotte, der Kohlhaas, das Kind portraitiert, das dem Kaiser immer wieder sagt, daß er nackt ist, gegen dessen erbittertsten Widerstand. Manipulation — so Chomskys These — gehöre zur Demokratie der kapitalistischen Länder wie die Luft zum Atmen, und so stecken die Medien mit General Motors unter einer Decke, wenn sie an der fabrikmäßigen Herstellung des Einverständnisses durch Unwissenheit und Desinformation festhalten.
Zur Erläuterung dieser These aus dem Off filmt die Kamera Chomsky aus der Vogelperspektive hinter dem Rednerpult in Harvard, von Scheinwerfern angestrahlt: Der einsame Held, der ins Dunkel zum Volke spricht, eine Choreographie wie für Lincoln, dem Chomsky auf groteke Weise ähnlich sieht, und in dessen asketisch-strenger Manier er sich ebenfalls geriert.
Das peinlichste an diesem Film ist sein Versuch, jeden, aber auch jeden Satz zu bebildern: Zu dem Wort „Grausamkeit“ kommen Bilder aus Auschwitz, zu „Medienmacht“ sieht man die Flure der New York Times, zu Chomskys Behauptung aus dem Jahr 1967, die amerikanischen Intellektuellen hätten den Vietnamkrieg erst möglich gemacht, sieht man prügelnde Polizisten.
Jeder etwas komplexere Gedanke, und erst recht jede Kontroverse wird abgehackt, so daß es beim fernsehgerechten Häppchen bleibt. Eine Diskussion mit Foucault zum Beispiel, über dessen glatzköpfige Frechheit man sich in diesem Film ergötzen kann, wird abgebrochen, bevor der Streit überhaupt klar wird. Wie steht das Konzept der generativen Grammatik Chomskys gegen das der gesellschaftlichen Dispositive Foucaults? Ins Kreuzfeuer der Kritik war der Wahrheitsritter geraten, als er den französischen Theoretiker Faurissons, einen Vertreter der „Auschwitzlüge“, gegen Zensurforderungen verteidigt hatte. Nicht ein einziges Mal versuchen die Filmemacher, ihren Helden in die Zange zu nehmen. Ein Collegestudent, der endlich die richtige Frage stellt: „Wenn die Medien so manipulativ und konsenssüchtig sind, wenn in den USA kein Dissenz erlaubt ist, warum stehen sie dann hier mit uns und reden stundenlang? Warum sind Sie ständig im Fernsehen? Wo ist jetzt der CIA?“ Dieser Collegestudent wird von schräg unten gefilmt, so daß er sich wie ein Gimpel ausnimmt.
Die Wahrheit dieses Films erscheint unfreiwillig. Zwei Studentinnen hatten versucht, einen Schimpansen mit Namen Nim Chimsky im Sinne der generativen Grammatik zum Sprechen zu bringen. „He failed to communicate“, meint eine der Gläubigen bedauernd. Mariam Niroumand
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