piwik no script img

Neue Konflikte in der Asylmeldestelle

In der Asylstelle Hohenschönhausen kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen/ Wärmehalle wurde zu zweiter Wartehalle umfunktioniert/ BI fordert menschenwürdige Behandlung  ■ Von Uwe Rada

Hohenschönhausen. Punkt sieben beziehen mehrere Polizeibeamte vor dem Ausgang der Wärmehalle Stellung. Die etwa 80 AsylbewerberInnen, die seit einer Stunde Schlange stehen, drängen nach vorn. Jeder will zu den ersten gehören, die von der Polizei eingelassen werden, um den 250 Meter langen Weg zur eigentlichen Asylstelle – zumeist im Laufschritt – nehmen zu können. Wer dort nicht rechtzeitig eine Wartemarke bekommt, dem droht am nächsten Tag erneut der beschwerliche Weg in die im vergangenen November eröffnete Asylmeldestelle in der Ferdinand-Schultze-Straße.

Georgij P., ein rumänischer Asylbewerber, steht seit halb sechs vor dem Tor der Asylstelle. Entgegen früherer Beteuerungen, der Eingang werde bei Bedarf geöffnet, kann Georgij erst gegen sechs Uhr das Tor passieren. Hundert Meter dahinter weist ihm ein Wachpolizist den mit Polizeigittern gesäumten Weg in die Wärmehalle.

Diese Halle, einst von der Innenverwaltung als Zugeständnis auf die Proteste von Flüchtlingsgruppen eröffnet, ist mittlerweile zur anonymen Wartehalle umfunktioniert. Statt in Ruhe Kaffee zu trinken, heißt es Schlange stehen: Am Eingang der Halle werden Wartemarken ausgegeben. Warum, kann keiner sagen, nicht einmal der, der sie verteilt. Eine Funktion haben diese Marken nicht, die Polizeibeamten, die ab sieben Uhr schubweise den Ausgang zur eigentlichen Asylstelle freigeben, achten nicht auf diese Marken. Eingelassen wird, wer gerade vorne steht.

„Vor allem am Wochenanfang, wenn mehrere hundert Flüchtlinge kommen, ist das Gedränge in der Halle ein Problem“, sagt eine Mitarbeiterin der „Bürgerinitiative ausländische MitbürgerInnen“. Die Polizei verhalte sich dabei nicht immer konfliktlösend. Einmal seien die Beamten sogar im Kampfanzug in die Wartehalle gestürmt und hätten darauf geachtet, daß keiner aus der Reihe schert.

Daß es vor allem beim Einlaß Konflikte gibt, bestätigt auch Argij S., Mitarbeiter bei amnesty international. Als er kurz vor Weihnachten einen Freund zur Asylstelle begleitete, habe er beobachtet, wie die Polizei einen arabischen Asylbewerber zu Boden riß und mit Füßen trat. Als S. daraufhin die Polizei nach der Dienstmarke fragte, sei ihm gesagt worden, er solle die Schnauze halten. Drei Wochen später gab es offenbar einen ähnlichen Vorfall. Ein angolanischer Jugendlicher wurde nach eigenen Angaben von Polizeibeamten mit Knüppeln geschlagen. Die Polizei dementierte und zeigte den Asylbewerber ihrerseits wegen vorsätzlicher Körperverletzung an. – „Solche Vorfälle sind zwar nicht die Regel, aber Reibereien gibt es immer wieder“, ist die bisherige Bilanz der Bürgerinitiative, die die ihr bekannten Fälle in einer Chronologie nun minutiös aufgelistet hat. Demnach mußte eine Frau, gerade aus dem Krankenhaus entlassen, anderntags in Hohenschönhausen vorsprechen. Als ihr schlecht wurde, habe ein Mitarbeiter des Einwohnermeldeamts die Bitte um ein Glas Wasser mit den Worten abgeschlagen: „Wir haben hier keine Gläser“.

Norbert Schmidt, Pressereferent der Innenverwaltung, weiß von diesen Vorfällen nichts. „Wenn sie uns bekannt werden, werden wir ihnen nachgehen“, sagt er. Die Ausgabe der „Vormarken“ in der Wartehalle begründet er damit, daß die Asylbewerber „bei dieser Witterung im eigenen Interesse veranlaßt werden, die Wärmehalle auch zu nutzen“. Diese Halle habe außerdem eine Art „Pufferfunktion“ und solle Schlangen im Freien vor dem eigentlichen Asylgebäude vermeiden. Daß man die Nummern „Vormarken“ als Kriterium für die Reihenfolge beim Auslaß nehme, um die Atmosphäre in der Halle entspannter zu gestalten, gehe schon deshalb nicht, weil dafür die personelle Ausstattung fehle.

„Offenbar wollen die einfach nicht, daß es dort ruhiger zugeht“, meint eine Mitarbeiterin der Bürgerinitiative. Der Sprecher der Initiative, Dietrich Lederer, fordert deshalb neben der Abfertigung der Flüchtlinge am selben Tag insbesondere, daß alle Voraussetzungen geschaffen werden, um die Abfertigung menschenwürdig zu gestalten. Dazu gehöre die Öffnung des Tors vor sechs Uhr ebenso wie die Schaffung erträglicher Verhältnisse in der Wärmehalle.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen