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Weiberbiß-betr.: "Dichten ist kein Luxus", taz vom 11.2.93

betr.: „Dichten ist kein Luxus“, taz vom 11.2.93

Felicitas Hoppe gelingt ein prächtiges Porträt von Audre Lorde, dieser „Schwarzen Lesbe Mutter Kriegerin Dichterin“. Und zu Recht kritisiert sie die Anzahl der Reden in der Gedenkfeier für Audre Lorde. Sicherlich wäre ein gemeinsames Singen, Lachen und Tanzen eher zu einer „Celebration of Life“ geworden. So war's eben doch mehr eine gute deutsche Gedenkfeier mit viel zu vielen Ansprachen. So weit, so gut.

Doch bei ihrer Kritik verfällt die Schreiberin in den typischen Weiberbiß: Sie schafft es wahrhaftig, von den Ausrichterinnen für die Gedenkfeier, von den Verlegerinnen Audre Lordes in Deutschland zu sprechen, ohne einmal den Namen Orlanda zu nennen. Totschweigen dessen, was Frauen leisten, abwerten, statt kritisieren – dagegen kämpfte Audre Lorde mit der Macht ihrer Worte. Und daß Du, Felicitas Hoppe, so fasziniert von dieser großen schwarzen Dichterin schreiben kannst, das verdankst Du den Frauen des Orlanda-Verlages, die auch diese Feier ausgerichtet haben, aber auch den Rednerinnen auf dieser Gedenkfeier, von denen eine große Zahl authentisch und packend Audre Lordes gedachten. Sicherlich, Audrey Moateng, die afrikanische Trommlerin und Sängerin, brachte Leben in den Saal, aber weshalb mußt Du bei Deiner Würdigung die kurdische Sängerin Núré vergessen? Und was Deine Kritik am Heilpraktiker Audre Lordes betrifft: frau sollte einfach nicht über Dinge schreiben, von denen sie keine Ahnung hat, bzw. zumindest ihre blinden Flecken kennen. Katharina Markert,

Renate Rieger, Berlin

[...] Was Ihre Zeitung sich hier geleistet hat, ist nicht nur schlechter Journalismus, es ist empörend! Ganz abgesehen davon, daß hier die Gefühle der etwa 400 Teilnehmerinnen der Gedenkfeier durch eine sachlich falsche und polemische Berichterstattung verletzt werden, strotzt Ihr Bericht von einer Überheblichkeit gegenüber anderen Kulturen, die für die Geschichte dieses Landes bezeichnend ist, die ich aber gerade bei Ihrer Zeitung nicht vermutet hätte.

Audre Lordes Vortragskraft – die Ihre Journalistin ganz offensichtlich erstmals bei der Veranstaltung über Video auf der Leinwand erlebte – hatte wirklich eine besondere Ausstrahlung. Doch auch ohne ihre hörbare Stimme vermitteln ihre Werke, die ich Frau Hoppe zur Lektüre empfehle, in ihrer Sprachgewalt und ihren Inhalten eine Botschaft, die nun wirklich – ganz ohne jegliches Pathos – erhaben ist über die billigen Vergleiche in der Einleitung zu Ihrem Artikel. Audre Lorde ist nicht nachahmbar. Dies hat auch niemand versucht, und dies ist auch die einzig richtige Aussage in dem mißglückten „Aufsatz“ von Frau Hoppe. Doch es wird deutlich, warum die Frage der Nachahmung sie überhaupt bewegt.

Der Hauptteil der „Berichterstattung“ ist ein schlechter Zusammenschnitt meines einleitenden Vortrags zum Leben und Werk Audre Lordes, zum Teil wörtlich zitiert, wobei sich die Verfasserin noch nicht einmal die Mühe macht, ihre Quellen anzugeben. Ebenso ungeniert schreibt die Autorin aus meinem Nachruf auf Audre Lorde ab, der im November 1992 im Bielefelder Stadtblatt erschien. All dies ist peinlich genug. Darüber hinaus hat sie schlecht zugehört, und folglich scheren sie auch nicht ihre eigenen sachlichen Fehlinformationen: Audre Lorde wurde nicht an irgendeinem 18. Februar, sondern an diesem Tag im Jahre 1934 geboren; die deutsche Ausgabe von Audre Lordes „Zami“ erschien nicht 1982, sondern 1986; an der Universität Osnabrück gibt es noch keinen offiziellen Beschluß, ihr posthum die Ehrendoktorwürde zu verleihen, wohl aber hatte der Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaft noch zu ihren Lebzeiten beschlossen, sie – als erste schwarze Autorin (in Deutschland) – mit diesem Titel zu ehren. Wenn es um schwarze Frauen geht, dürfen sich einige weiße deutsche JournalistInnen wohl selbst die gründliche Recherche ersparen. All dies ist Verhöhnung. Der Rest Ihres Artikels ist Publikumsbeschimpfung, hier konkret die Botschaft – und der (afrikanischen) Weltanschauung Audre Lordes.

Für Audre Lorde, für andere afrikanisch-amerikanische Autorinnen, für schwarze Frauen in aller Welt sind Mythen und Legenden nicht „heimtückisch“, sondern die „Quellen, aus denen echtes Wissen und Handeln entspringt“ (A.L.), dies umfaßt ein anderes Verhältnis zum Leben – und zum Tod. Viele Menschen in aller Welt teilen diese Erkenntnis mit ihr, so wie die Gemeinde ihrer Wahlheimat St.Croix und die 4.000 Menschen unterschiedlichster Herkunft, die am 18.Januar an einer Gedenkveranstaltung in New York City teilnahmen. Viele meiner SchülerInnen und StudentInnen, die sich mit ihr, ihren Erfahrungen und ihrer Philosophie auseinandergesetzt haben, ist dies bewußt geworden. Wir schwarzen Frauen sind froh, daß Audre Lordes langjähriger Heilpraktiker, Manfred Kuno, „sogar ein (weißer) Mann“ (taz) dies erkannt hat. Er ließ sich nicht „zu einer zweifelhaften Metaphorik der Krebskrankheit hinreißen“, sondern hat sich eingelassen auf eine nicht eurozentrische Sicht der Welt. Frau Hoppe liegt dies alles allerdings sehr fern. Uns allen, die wir Audre Lorde persönlich kannten, die wir uns – auf unterschiedlichste Weise – mit ihrem Leben, ihren Gedichten und ihrer Philosophie auseinandergesetzt haben, geht dies alles sehr nah. Denn es schmälert nicht nur ihr Leben und ihr Werk. Vielmehr folgt die Diktion Ihrer „Berichterstattung“ einem altbekannten Muster, das es Ihrer Zeitung ermöglicht, dieses Zerrbild veröffentlichen zu können. Es ist dies ein Muster, das sich zusammenfügt aus Unwissenheit, Überheblichkeit, Mißachtung, Arroganz, Eurozentrismus, Egoismus, Schuldgefühlen, Verteidigungshaltungen, und letztlich der Aufrechterhaltung von Machtstrukturen. Und ist es nicht all dies, was in der Summe Rassismus ergibt? Ich möchte dies Ihrer Zeitung ungern vorhalten. Vielleicht hätten Sie einfach eine sachkundigere/bessere Journalistin schicken sollen.

Mir und anderen Frauen ist es Trost und Bestärkung, daß es an anderen Orten, an denen bislang Gedenkveranstaltungen ähnlichen Charakters für Audre Lorde stattfanden, auf St.Croix, in Los Angeles, New York, Montreal und London, unmöglich wäre, aus diesem Anlaß einen solchen Artikel zu veröffentlichen. Doch alte Bezugsmuster, über die Audre Lorde in „Lichtflut“ schreibt, feiern hierzulande fröhliche Urständ. Audre Lordes im letzten Herbst veröffentlichte Fragestellung, „Wie sieht es jetzt in Berlin aus?“ hat noch immer erschreckende Aktualität. Den Schluß Ihres „Kultur“- Beitrages möge jede/r selbst bewerten. [...] Marion Kraft, Bielefeld

[...]Falls Frau Hoppe die Gedenkfeier nicht gefallen hat, hat sie damit noch kein Recht erworben, ihre persönlichen Inkompetenzen und diffusen Diskriminierungen zu verbreiten. Denn von ihr werden keine Selbstdarstellungen, privaten Geschmacksäußerungen und Unterstellungen erwartet, sondern der Versuch, den Inhalten einer Veranstaltung gerrecht zu werden. [...] Prof.Dr.Christina Thürmer- Rohr, Berlin

[...] Der Umgang der taz mit Audre Lorde und ihrem Tod war für mich nicht nur verletzend, empörend und enttäuschend, sondern auch Ausdruck von Rassismus, mit dem sich die Redaktion offensichtlich nicht konfrontiert. Prof.Dr.Dagmar Schultz,

Berlin

Die Deformierung und das zusammenhanglose Zitieren von Sätzen entspricht voll und ganz dem sich immer mehr ausbreitenden Rassismus und Antifeminismus, auch in Ihrer Zeitung. Sie als weiße, deutsche Frau haben einfach nicht das Recht, über Mythos und Kultur derer zu urteilen und zu richten, die Sie nie gekannt und verstanden. [...] Allen Leserinnen, die Ihren Artikel gelesen haben und die sich selber ein objektives Bild machen wollen über die Gedenkfeier für Audre Lorde am 6.2.1993, stellen wir gern das von uns produzierte Video zur Verfügung. E.-A. Abraham, Berlin

So polemisch, unwissend und dumm, wie der Artikel beginnt, so endet er auch. Der latente Rassismus von Felicitas Hoppe zieht sich durch den gesamten Artikel. Alle Mitwirkenden, schwarze Deutsche, weiße Deutsche, Immigrantinnen, Jüdinnen und die Südafrikanerin Audrey Motaung haben nicht annähernd vorgegeben, mehr oder die gleiche Ausstrahlungskraft wie Audre Lorde zu haben. [...] Felicitas Hoppe geht soweit, daß sie der Sängerin Audrey Motaung die Worte im Mund so herumdreht, (ihre Muttersprache ist nicht Deutsch), daß sie in ihr rassistisches Bild von Nichtdeutschen weißen und christlichen Frauen paßt.

„So waren schließlich alle erleichtert, als die Sängerin Audrey Motaung unter Lachen gestand, sie wage nun am Ende des Abends kaum noch den Namen Audre Lordes auszusprechen...“ Felicitas Hoppe ließ genau den Teil des Satzes weg: „dieser Name ,Audre‘ (nicht Audre Lorde) hat mit Verantwortung zu tun...“, und ihr Name ist Audrey, wenn auch mit einem Y am Ende. Audre Motaung sprach zum Schluß von ihrem Volk in Südafrika und wünschte sich, auch dort gebe es die Möglichkeit, die Stimmen schwarzer Frauen zum Beispiel durch Bücher etc. zu veröffentlichen.

Felicitas Hoppe gehört genau zu den weißen JournalistInnen, die noch immer die Dreistigkeit und Arroganz besitzen, verachtend über den Mut, Kampf und die Gefühle der Frauen zu berichten, die es geschafft haben, in dieser kalten rassistischen Gesellschaft über den Verlust Audre Lordes und was es für sie bedeutet, öffentlich zu sprechen. [...] Aki Berg

Wir bedauern, daß Audre Lordes Geburtsjahr 1934 in dem Artikel „Dichten ist kein Luxus“ vom 11.2. fehlte. Selbstverständlich war das nicht beabsichtigt. Wir bedauern auch, daß das Erscheinungsdatum der deutschen Ausgabe von Audre Lordes Roman „Zami“ falsch angegeben war. Schließlich tut es uns leid, daß der Berliner Orlanda Verlag, der sich um die Publikation Audre Lordes in Deutschland verdient gemacht hat, namentlich nicht genannt wurde. Den Vorwurf des Rassismus weisen wir zurück. Die Kulturredaktion

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