: Parkraum frißt Spielraum für Kinder
■ Freimut Duve (SPD) lud Kinder-Experten an den Runden Tisch / Der Autoverkehr schränkt Kinder am meisten ein
/ Der Autoverkehr schränkt Kinder am meisten ein
Hamburg zählt weltweit zu den Millionenstädten mit der niedrigsten Einwohnerdichte, aber für Kinder gibt es im öffentlichten Raum viel zu wenig Platz. Das stellte gestern Wolfgang Hammer vom Amt für Jugend fest, der auf Einladung von Freimut Duve am Runden Tisch darüber diskutierte, „was können wir tun, um Hamburg zum Kinderland zu machen“. Fazit in der Barmbeker „Zinnschmelze“: die schamlose Ausweitung des Autoverkehrs macht dem Nachwuchs am meisten zu schaffen.
„Jeder, der will, kann sich einfach ein Auto kaufen“, sagte ein Vater der Ini „Barmbek beruhigen“, der das Pech hat, an der Fuhlsbüttler Straße zu wohnen. Wer Kinder und das nötige Kleingeld habe, ziehe raus ins Grüne, um dann mit dem Auto in die Stadt zu fahren.
Einem Kindergartenkind werden drei Quadratmeter zugebilligt, einem Auto dagegen 12,5 Quadratmeter Stellplatz. Wird die Hamburger Bauordnung nicht geändert, so müßten bis zum Jahr 2000 auf 1,4 Millionen Quadratmetern neue Parkplätze geschaffen werden, rechnete Wulf Rauer vom Hamburger Kinderschutzbund vor. Ähnlich einer Umweltverträglichkeitsprüfung müßten Bauvorhaben auch auf ihre Kinderverträglichkeit hin geprüft werden. Unter Federführung der Stadtentwicklungsbehörde (Steb) grübelt seit Sommer letzten Jahres eine behördenübergreifende AG über derlei Notwendigkeiten.
Doch viel Spielraum scheint es nicht zu geben. Im Wohnungsbau werde derart gehetzt, sagt Steb-Mitarbeiterin Irene Janys, daß keine Zeit bleibe, die Pläne nach Kinderkriterien zu überprüfen. So würden derzeit, leicht modisch abgewandelt, die Wohnungskonzepte der 70er aus der Kiste gezogen.
Die Fragestellung des SPD-Bundestagsabgeordneten Duve war so umfassend, daß die insgesamt elf Diskutanten vieles nur kurz streiften. Von zu alten Lehrern und einer Schule, die der gesellschaftlichen Entwicklung nicht hinterherkomme, war die Rede, von Kinderinitiativen, die keinen Raum bekommen und allerhand mehr.
Damit die Diskussion nicht eintönig wird, wollte der GAL-Abgeordnete Helmut Hildebrand auch das Positive hervorheben. Gerade in Fragen der Pädagogik gebe es doch viele Fortschritte. Jugendamtsleiter Wolfgang Hammer wiedersprach: es helfe nicht, sich am Positiven zu orientieren. Gerade in der Jugendarbeit würden immer mehr Inseln für immer speziellere Gruppen geschaffen. Da aber viele Probleme wie Drogen und Gewalt ihre Ursachen auch in der massiven Einschränkung des öffentlichen Raums hätten, sei es nötig, die gesellschaftlichen Prioriäten zu verändern. Sprich: Orientierung am Auto endlich aufzugeben. kaj
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