: „Zurückgehen wäre das Letzte“
■ Rumänische Flüchtlinge: Vergewaltigung durch Polizei, Schikanen
Zusammenfassend ist somit festzustellen, daß sich Rumänien nach dem Sturz Ceausescus im Dezember 1989 auf dem Weg hin zu einem auch nach westlichen Maßstäben demokratischen Staat befindet (Zitat aus einem Ablehnungsbescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge).
Mit solcher Begründung werden in Bremen und ganz Deutschland die Anträge rumänischer AsylbewerberInnen abgelehnt. Doch alles andere als das Bild eines demokratischen Rechtsstaates zeichnen die in Bremen um Asyl suchenden Rumänen — zum Beispiel Dana Fatu (24) und Jan Fatu (28).
Die beiden sind Mitglieder der „Nationalen Liberalen Partei“ (PNL) — der Opposition zur „Front zur Nationalen Rettung“ (FDSN), der Partei von Präsident Illiescu. Im August und September letzten Jahres nahm das Ehepaar an mehreren Demonstrationen gegen vermutliche Wahlfälschungen bei der Wahl teil. „Wir und andere wurden von Militärs und Polizei gezwungen, unsere Stimme nicht der PNL, sondern Illiescu zu geben“, berichtet Jan Fatu. Bei einer dieser Demonstrationen, etwa 200 bis 300 Leute gingen in Piatra Neamt nördlich von Bukarest auf die Straße, wurden die beiden verhaftet. Auf der Polizeistation sei sie vergewaltigt worden, sagt Dana Fatu — „der Name des Polizisten ist uns bekannt.“ Jan Fatu wurde eine Woche lang festgehalten, beim Verhör sollen ihm Rippen und das Nasenbein gebrochen worden sein. „Als ich versuchte, auf eine Anzeige wegen der Vergewaltigung meiner Frau zu bestehen, wurde mir von einem Colonel gedroht, daß ich dann nicht mehr lange leben würde“, erzählt Jan Fatu weiter. Kurz darauf wurde ihm willkürlich bei einer Kontrolle der Führerschein entzogen — da er als Kfz-Mechaniker arbeitete, verlor er seine Arbeit.
Im Dezember kam das Ehepaar Fatu nach Deutschland und stellte seinen Asylantrag — doch ihnen droht, wie anderen Rumänen auch, Ablehnung und Abschiebung. Die Geschichten der rumänischen Flüchtlinge ähneln sich: Da ist von Schikanen nach Demonstrationen die Rede, Leute wurden aus der Universität geworfen, immer wieder kommt der Geheimdienst ins Spiel. Doch: „Mir kommt es so vor, daß das Bundesamt die in der Diskussion stehende Streichung Rumäniens aus der Liste der Verfolgerländer bereits vorwegnimmt“, sagt der Kaufmann Moni Adler, der in den letzten Wochen in den diversen Asylberwerberunterkünften herumgefahten ist und mit Rumänen gesprochen hat. „Die Leute haben einfach Angst“, berichtet er. „Da werden Leute nach einer friedlichen Demonstration eine Woche lang in Haft genommen, und die deutschen Ämter nennen das einen –Aufenthalt auf der Polizeistation–“, wettert Adler. Übergriffe gegen parteipolitisch engagierte Personen seien „nicht dem rumänischen Staat anzulasten“, heißt es in einem anderen Ablehnungsbescheid.
„Die deutschen Ämter sind offensichtlich einseitig informiert“, sind sich Adler und Wolfgang Schlott, Vorsitzender der deutsch- rumänischen Gesellschaft, einig. Berichte der Menschenrechtsorganisation amnesty international, die die Lage in Rumänien kritisch beschreiben, sind offensichtlich nicht in die Bewertung eingegangen. Doch immer wieder gibt es Berichte über Repressalien, Hausdurchsuchungen, bei denen systematisch ganze Haushalte zertrümmert werden, Schikanen gegenüber der Presse, Überwachung des Postverkehrs durch den Geheimdienst. „Das alles ähnelt der Willkür in der Ceausescu-Zeit“, sagt Schlott.
Nach früheren Aussagen von Bürgermeister Wedemeier ist die Sache klar: Bei den Rumänen handelt es sich um Wirtschaftsflüchtlinge. Doch die Angst bei mehreren abgelehnten rumänischen Asylbewerbern ist so groß, daß sie aus den Bremer Unterkünften nun abgetaucht sind. Zurückgehen, das wäre das Letzte, was sie tun würden.
Susanne Kaiser
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