Schlägereien des Scheiterns

■ Skins aus Melbourne: Kann, darf, soll man sie zeigen, wie sie sind?

Kein Erbarmen mehr. Nur noch der Wunsch, die Dynamak der Gewalt zu zeigen. Der australische Regisseur Geoffrey Wright wollte den Rassenwahn der Skinheads von Melbourne zeigen und den Stoff so behandeln, wie er ist: roh und brutal. Das ist ihm derart gut gelungen, daß die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft den Film „Romper Stomper“ nicht ab 16 Jahren freigegeben hat und auch die „Erteilung des Kennzeichens ‘Nicht freigegeben unter 18 Jahren'“ mit ihren Grundsätzen unvereinbar sieht. Der Filmverleih, der den Skinhead-Film schon für den Kinostart im März vorbereitet hatte, nutzte jetzt die Berlinale zu einer Sondervorstellung, die den Journalisten die Möglichkeit bieten sollte, den Vorwurf der FSK selbst zu überprüfen. Die Kommission hatte nämlich zur Begründung der Entscheidung auf Paragraph 2 ihrer Bestimmungen hingewiesen, nach dem kein Film die Würde des Menschen verletzen, entsittlichend oder verrohend wirken und brutale und sexuelle Vorgänge in übersteigerter, anreißerischer Form schildern darf. Eine Unterstellung, die dem Film in keiner Weise gerecht wird.

„Gewalt ist geil. Oder?“ fragt der deutsche Titel von „Romper Stomper“. Dann folgt eine moderne Version von „Clockwork Orange“. Vollkommen unbeteiligt streifen die Skinheads durch die Stadt und „klatschen“ Vietnamesen „auf“. Der Film sucht nicht nach möglichen Motiven für das Verhalten der Jugendlichen. Er beobachtet sie nur. Das Gesicht von Russell Crowe ist verschlossen. Keine Vergangenheit, keine Geschichte. No Future ist kein Schlagwort mehr. Wahrscheinlich wirkt Geoffrey Wrights Film deshalb so provozierend, weil er genauso gnadenlos mit dem Material umgeht wie seine Protagonisten mit den Menschen, die ihnen in die Quere kommen. Chaotische Schwenks lassen glauben, der Kameramann sei selbst in die mit geschulterter Kamera aufgenommenen Schlägereien verwickelt.

Der Film tut dem Zuschauer Gewalt an. Doch daraus zu folgern, diese Szenen der gewalttätiger Abreaktion führten zur Nachahmung, heißt wieder einmal, die Ursachen zu verkehren und sie einem Medium zuzuschreiben, dessen Funktion es sein muß, die Dinge so darzustellen, wie sie sind – wen es sein muß auch derart drastisch. Die Skinheads entlarven sich durch ihr Verhalten. Als die Gruppe unter Druck gerät, setzt ein Prozeß der Entsolidarisierung ein, der zeigt, wie erbärmlich die von den Skins hochstilisierte Kameradschaft ist. Zum Schluß geht es nur noch darum, die eigene Haut zu retten.

Die Entscheidung der FSK ist ebenso absurd wie unbegründet. Keine Gewaltszene des Films rechtfertigt die Weigerung, den Film ab 16 freizugeben. In einschlägigen Filmen wie „Universal Soldier“ oder ungezählten Schwarzenegger-Metern fließt mehr Blut als in „Romper Stomper“. Auf den Magen schlägt der Film vor allem deshalb, weil er die Gewalt vollkommen ungeschminkt dokumentiert. Die Skinheads lieben es, ihre Gegner mit Fäusten, Knüppeln und Eisenstangen zu erledigen.

Es läßt sich darüber streiten, ob man so etwas in aller Ausführlichkeit zeigen muß. Eine Institution jedoch, die Filme freigibt, die neben jeder Menge Schlachtereien häufig auch noch eine dumpfe Ideologie vom Überleben des Stärkeren transportieren, sollte sich schämen, einen Film, der das Scheitern von Jugendlichen demonstriert, die an Heldentum glauben, zu zensieren. Gegen „Rambo III“ hatte die FSK nichts einzuwenden und Vilsmaiers blutrünstiges „Stalingrad“-Spektakel wurde bedenkenlos ab 12 Jahre freigegeben. Christof Boy

Geoffrey Wright: „Romper Stomper“, Australien 1992.