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Hamburger Genkartoffeln nun bald nach Rostock?

■ Die Uni zog zwar den Antrag auf Freisetzung genmanipulierter Kartoffeln zurück, aber die Flottbeker Botaniker planen schon die nächste Runde

genmanipulierter Kartoffeln zurück, aber die Flottbeker Botaniker planen schon die nächste Runde

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Nur einen Tag, nachdem die Universität ihren Antrag, genmanipulierte Kartoffeln in Wulfsdorf bei Ahrensburg freizusetzen, zurückzog, planen die Forscher des Botanischen Instituts schon die nächste Freisetzungsrunde. „Wenn alles gut läuft, werden wir bereits im Frühjahr 1994 die Freisetzung an einem anderen Ort durchführen“, prognostiziert der Projektleiter Professor Horst Lörz. Die Hamburger Umweltbehörde werde sich aktiv an der Suche nach einem geeigneten Freisetzungsgelände beteiligen. Als Standortalternative, so Lörz, „ist die Umgebung von Rostock“ im Gespräch.

Der Hintergrund: In Groß-Lysenitz, ganz in der Nähe der Ost- Hansestadt, befindet sich das Quartier der Kartoffelexperten der Bundesanstalt für Züchtungsforschung. Sie könnten sich an der Durchführung des Freilandexperiments beteiligen. Doch noch bevor über einen neuen Standort entschieden werden kann, müssen die Flottbeker Botaniker eine andere Klippe nehmen. Sie müssen sich mit dem Bundesforschungsministerium und der in Braunschweig beheimateten Biologischen Bundesanstalt auf ein Paket von Begleitforschungsprojekten einigen.

Die Uni-ForscherInnen zogen ihren Freisetzungsantrag am Mittwoch zurück, nachdem die Bundesanstalt eine Woche zuvor entschieden hatte, drei der vier geplanten Begleitprojekte im Bereich Sicherheitsforschung nicht zu finanzieren. Die beantragten Forschungsvorhaben waren in Braunschweig als „wenig effizient und aussagekräftig“ eingestuft worden. Doch bereits im April wollen die Flottbeker zusammen mit MitarbeiterInnen der Bundesanstalt und des Ministeriums ein verändertes, eventuell sogar umfangreicheres Begleitforschungs- Bündel schnüren. Danach soll der Freisetzungsversuch erneut beantragt werden.

Im zweiten Anlauf wollen die Botaniker vor allem die Fehler der Vergangenheit vermeiden. Denn das vorläufige Aus ihrer Freisetzungspläne verschuldeten die ForscherInnen selbst: durch eine Versuchsvorbereitung der Marke avanti dilettanti. So erfuhren die erstaunten Botaniker erst aus der Presse, daß sie die beantragte Freisetzung just neben einem Öko-Hof planten. Während andere Freisetzungsprojekte wie die Aussaat gentechnisch veränderter Kartoffeln und Rüben im niederbayerischen Wallerfing von den dortigen Antragstellern durch mehrjährige Lobbyarbeit intensiv vorbereitet wurde, probten die Flottbeker den Alleingang gegen Gott und die Welt.

So hielten sie es nicht einmal für nötig, sich rechtzeitig mit der Uni- Spitze abzustimmen und sich deren Rückendeckung zu sichern. Kaum hagelte es die ersten Proteste gegen das Projekt, standen die Kartoffelforscher sogar im eigenen Laden isoliert da. Die Uni-Spitze ging auf Distanz, weil sie befürchtete, daß die Hochschule in einem langandauernden Konflikt um die nutzlose Genkartoffel einen gewaltigen Renommeeverlust erleiden würde. Ein Insider: „Amateurhafter kann man sowas nicht planen.“

Doch bestimmte Hindernisse lassen sich auch im zweiten Anlauf kaum überwinden. Um den Nutzen ihrer Forschungen zu begründen, stilisierten die Antragsteller die Freisetzung zum Beitrag gegen den Welthunger hoch — wenig glaubhaft angesichts der weltweiten Kartoffel-Überproduktion. Auch daß sich die Hamburger Umweltbehörde nun an der Suche nach „besser geeigneten Versuchsflächen“ beteiligt, weiß bislang nur Horst Lörz. „Totaler Quatsch“, kommentiert die Sprecherin der Umweltbehörde Silvia Schwägerl, „wir werden uns an solchen Suchprogrammen nicht beteiligen.“

Fraglich auch, ob das Forschungsministerium wirklich mehr Mittel für die lästige Begleitforschung zur Verfügung stellt. Denn die sind knapp. So fragte ein Ministeriumsmitarbeiter eine Ahrensburger Kreistagsabgeordnete der Grünen, die sich über fehlende Gelder für die Sicherheitsforschung beklagte, allen ernstes: „Kann der Kreis Ahrensburg das nicht selbst bezahlen?“ Marco Carini

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