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Stimme des Vertrauens?

■ Mißtrauensantrag der CDU abgebügelt / Fröhliches Hauen und Stechen in der Bürgerschaft / GAL schloß sich CDU-Antrag an

Fröhliches Hauen und Stechen in der

Bürgerschaft / GAL schloß sich CDU-Antrag an

Skandal auf allen Fahnen, den Landesrechunungshof im Rücken, die Opposition empört, was kann da noch schief gehen? Alles! So schien es zumindest zunächst, denn der CDU-Rücktrittsantrag gegen Bausenator Eugen Wagner und Bürgermeister Henning Voscherau sollte eigentlich trotz des wochenlangen Gezeters gestern abend in der Bürgerschaft nicht einmal die Stimmen aller Oppositionsfraktionen auf sich vereinen. Denn die GAL hatte signalisiert, daß sie dem CDU-Antrag nicht zustimmen werden. Es sollte anders kommen.

Unlauteres Wahlgeschenk, so klingt es seit Wochen von CDU, FDP und GAL zu dem Mieterhöhungsstop für die städtischen Saga- Wohnungen kurz vor den Bürgerschaftswahlen 1987. Soziale Mietenpolitik, so die gleichlautenden Erwiderungen von Wagner, Voscherau und SPD-Fraktion. Doch die CDU-Nagelprobe stand auf wackeligen Füßen. Denn die GAL hatte einen eigenen „Mißbilligungsantrag“ gegen den gesamten Senat eingebracht. Der wiederum sollte keine Zustimmung von CDU und Liberalen finden.

Doch trotz des anfänglichen Schlingerkurses hatte die Debatte hohen Unterhaltungswert. Da witterte CDU-Fraktionschef Rolf Kruse angesichts der „Manipulationen durch Wahlgeschenke“ eine Gefahr für das demokratische Gemeinwesen Hamburgs und stellte die bange Frage: „Gibt es in Hamburg überhaupt noch faire Wahlen?“ Sein Fraktionskollege Friedjof Kelber schalt den Bausenator gar einen „selbstherrlichen Mietenkiller und notorischen Gesetzesverächter“. Bürgerschaftspräsidentin Kiausch war voll damit ausgelastet, unbotmäßige Sprüche abzumahnen.

Den Bausenator focht das alles wenig an — er quittierte die Vorwürfe mit breitem Grinsen und schallendem Gelächter. Der GAL wurde von der Opposition unterstellt, sie hielte sich wohl zurück, weil sie auf ein weiteres Koalitionsangebot des Bürgermeisters hoffe. „Hat der eigene Machtgewinn inzwischen Vorrang vor dem Aufdecken von Machtmißbrauch“, stichelte Kruse. Nein, so GAL-Fraktionschefin Krista Sager, doch eine Rücktrittsforderung an einzelne Senatoren bedeute nichts anderes, als den Gesamtsenat freizusprechen. Und der sei für die ernste Verfehlung in Gänze verantwortlich, nicht etwa von dem Bausenator übertölpelt worden. Doch in der Schelte wollte die GAL den anderen nicht nachstehen, Sager an den Senat gewendet: „Welches Schlaraffenland für welche Amigos wollen sie eigentlich in Hamburg?“ Einzelnen Personengruppen ohne die Zustimmung der Bürgerschaft Vergünstigungen zuzuschanzen, so etwas führe die Stadt geradewegs in sizilianische Verhältnisse. SPD-Chef Günter Elste wehrte jedoch alle Vorwürfe lässig ab, „Mietpreisdämpfer Wagner“ habe zum Wohle der Stadt gehandelt — verständlich, daß dies den profitorientierten Immoblilienhändlern in der FDP ein Dorn im Auge sei. Auch den Tadel des Rechnungshofes wollte er noch auf der „gesetzgeberischen Ebene“ auf seinen Gehalt überprüft wissen.

Da platzte nach zweistündiger Debatte sogar den Grünen der Kragen „Wir werden dem CDU-Antrag doch zustimmen“, erklärten sie plötzlich. Die Beiträge der SPD und ihres Chefs Elste seien derart „unerträglich und selbstherrlich“ daß man sie unbedingt zurückweisen müsse. Abstimmungsergebnis: Der CDU-Antrag wurde trotz der geschlossenen Oppositionsreihen abgelehnt — mit einer Stimme Mehrheit aus der SPD. sako

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